Tiere sind keine Ware
Erstmals in der Geschichte fand am Dienstag, 7. Juli, ein Gipfel zu Tiertransporten statt. Aufdeckungen des VGTs lösten die Debatte aus. Was im Ministerium besprochen wurde und wie es weitergeht, schau-Club gibt einen kleinen Einblick.
Millionen von Tieren werden Jahr für Jahr quer durch Europa und darüber hinaus transportiert. Immer längere Transportwege in immer fernere Länder liegen im Trend. Mittlerweile gehen über 70 Prozent der Tiertransporte über die Grenzen der EU hinaus. Die Rinder, Schafe, Ziegen, Pferde, Puten und Hühner werden in überfüllte Lkw gepfercht und tagelang unter schrecklichen Bedingungen quer durch Europa nach Afrika oder in den Nahen Osten transportiert. Laut TRACES-Bericht exportierte Österreich allein im Jahr 2019 fast 20 Millionen Tiere in die EU und fast eine Million Tiere in Drittstaaten. Dass die Tiere während des Transports schreckliche Strapazen erleiden, ist bekannt, doch die Gesetze blieben unverändert – bis jetzt.
Denn am 7. Juli lud Tierschutzminister Rudolf Anschober (Grüne) zum ersten Tierschutzgipfel ins Gesundheitsministerium ein. Geladen waren Tierschutzorganisationen, Behörden, Wirtschaft und Politik. Beim Tierschutzgipfel sollen künftig Lösungen zum Thema Tierschutz erarbeitet werden. Anschober: “Wir starteten am Montag mit den Tiertransporten und der Frage, wie wir sie schrittweise drastisch verkürzen und verringern können.”
Der Minister möchte möglichst breite Allianzen für neue Sachlösungen und neue Mehrheiten schaffen. “Wir müssen in Österreich herauskommen aus dem Patt der vergangenen Jahre”, sagte Anschober. “Und das kann nur funktionieren, wenn man miteinander spricht und engagiert nach Lösungen der Vernunft sucht. Wer davon überzeugt ist, dass Tiere keine Ware sind, sondern Lebewesen mit Empfindungen, sollte diesen Weg der Veränderung mitgehen.” Der Gipfel soll künftig vier Mal im Jahr stattfinden.

Kälber auf ihrem mehrtägigen Transportweg. Oft bekommen die Jungtiere während der Reise weder Wasser noch Futter. Im Sommer kann es in den Transportern leicht bis zu 38 Grad haben. @ VGT
Auf den Spuren der Transporter
Dass es überhaupt zu diesem historischen Treffen kommen konnte, ist der Aufdeckungsarbeit der Tierschutzorganisation VGT, Verein gegen Tierfabriken, in Kooperation mit Animals International und Animal Welfare Foundation zu verdanken.
“Alles begann, als wir den Transportern mit kleinen Kälbern das erste Mal von Vorarlberg nach Italien gefolgt sind. Nach der Recherche waren wir traurig und frustriert, weil alles hoffnungslos erschien – aber wir sind drangeblieben”, so der VGT.
In den drei Jahren Recherche- und Kampagnenarbeit schaffte es VGT Millionen von Menschen zu sensibilisieren und mobilisieren. So konnten mehr als 150.000 Unterschriften gesammelt werden. Der Schrei der Bevölkerung nach Veränderung war schlussendlich so groß, dass das Ministerium einen Gipfel einberufen hat – das erste Mal in der Geschichte.
Der VGT setzte sich vor allem für ein Ende der grausamen Kälbertransporte ein, auf denen Kälber tagelang ohne Nahrung transportiert werden und nicht selten schlussendlich zur Schlachtung im Nahen Osten landen. Auch die wochenlangen Transporte von Zuchtrindern in Drittländer wie Aserbaidschan, Usbekistan und Iran müssen laut VGT beendet werden, denn ab der EU-Außengrenze kann der Schutz der Tiere de facto nicht mehr eingehalten werden.
“Wir begrüßen die Initiative von Rudolf Anschober, Bewegung in die Causa Tiertransporte zu bringen und sehen diesen Gipfel als ersten Grundstein für eine Verbesserung der Situation. Nun müssen Strategien erarbeitet werden, dieses unnötige Tierleid zu beenden. Denn eines ist klar: Würde Österreich die bestehende Verordnung zum Schutz der Tiere beim Transport konsequent umsetzen, wären wir heute nicht hier. Dann gäbe es weder Langstreckentransporte von Kälbern nach Spanien oder Polen noch die Transporte in Drittstaaten. Dass wir die Regierung um die Einhaltung bestehender Gesetze bitten müssen, ist eigentlich unglaublich. Dieser Gipfel könnte ein historischer Wendepunkt werden“, so Tobias Giesinger, VGT-Kampagnenleiter.
Umstellung zu einer nachhaltigen Landwirtschaft
Der VGT fordert aus diesem Grund unter anderem eine Umstellung auf nachhaltige Landwirtschaft, die Tiertransporte obsolet und Österreich krisensicher macht. Sowohl die kleinen Kälber als auch die Zuchtrinder sind Produkte der übermäßigen Milchproduktion. Schon jetzt geht die Hälfte der produzierten Rohmilch in den Export, während große Mengen Futtermittel importiert werden müssen. Was bleibt, ist Gülle. Besonders schockierend: Es werden ähnlich viele oder sogar mehr Tiere importiert wie exportiert, wie der sogenannte TRACES-Bericht des Bundesministeriums für das Jahr 2019 zeigt. Eine Tatsache, welche die Sinnlosigkeit der Tiertransporte verdeutlicht, und ein Millionengeschäft auf dem Rücken der Tiere.
Forderungen des VGT:
- Zukünftig konsequenter Vollzug der EU-Verordnung zu Tiertransporten
- Kein Transport von Tieren, die noch nicht von der Muttermilch entwöhnt sind
- Eine maximale Transportdauer von acht Stunden für alle Tierarten
- Keine Transporte in Drittstaaten, also Länder außerhalb der EU
- Förderung von Alternativen für den Export von Kälbern aus der Milchproduktion
- Rechtliche Vertretung von Tieren durch Tierschutzorganisationen in Tiertransport-Angelegenheiten
Erfahren Sie mehr zum Thema Tierschutz unter: www.vgt.at, www.animalsinternational.org, www.animal-welfare-foundation.org
Petition gegen Kälbertransport hier unterschreiben!