Starke Frauen, starke Weine: Winzerinnen auf dem Vormarsch
Lange Zeit galt die Weinwelt als Männerdomäne, doch die Weinbranche wird weiblicher: Immer mehr Frauen sind an der Spitze eines Weinguts zu finden. Österreichische Winzerinnen erzählen von ihrem Weg dorthin.
Miss Blaufränkisch
„Mir wurde der Beruf Winzerin quasi in die Wiege gelegt, ich bin in den Reben aufgewachsen. Schon als Kind half ich meinen Eltern und Großeltern im Weingarten und wusste, dass ich einmal Winzerin werden wollte. Ich war gerne draußen in der Natur. Von meinen Eltern habe ich die Liebe zum Wein und von ihnen lernte ich den Respekt vor der Natur in all ihren Facetten“, erzählt Silvia Heinrich. Ihr Weingut liegt in Deutschkreutz, im Herzen des Burgenlands. „Ich finde es wichtig, dass immer mehr Frauen die Führung in Weingütern übernehmen. Früher konnte man die Winzerinnen Österreichs an einer Hand abzählen. Mädchen standen lediglich als Winzerköniginnen im Vordergrund. Heute gibt es eine Vielzahl an bestens ausgebildeten jungen Frauen, die durch fachliche Kompetenz überzeugen! Den Reben ist schließlich auch egal, ob wir männlich oder weiblich sind.“
Gelassenheit und Tatendrang
Die Weinblüten sind sechs Winzerinnen aus dem steirischen Vulkanland: Anne Hütter-Grießbacher, Kathrin Seidl, Bettina Tomaschitz, Beatrix Lamprecht, Sigrid Sorger und Claudia Fischer wollen durch Zusammenhalt Großes erschaffen. „Um jedes Jahr das Beste aus den Weingärten herauszuholen um das Beste in die Flaschen zu bekommen, braucht man einen unbedingten Verbesserungswillen und eine gute Beobachtungsgabe. Man muss gerne Entscheidungen treffen und auch wissen, dass es manchmal die beste Entscheidung ist, der Natur ihren Lauf zu lassen, ohne groß einzugreifen. Neugierde und Lust am Staunen helfen da gut dabei“, wissen die Winzerinnen. Dass immer mehr Frauen die Führung von Weingütern übernehmen, ist für die Weinblüten eine wichtige Entwicklung. „Selbstverständlich sind die Fähigkeiten, ein Weingut zu führen und guten Wein zu produzieren, unabhängig vom Geschlecht. Dem gegenüber stehen leider strukturelle Herausforderungen wie fehlende Ganztagsbetreuung für Kinder, Vorurteile, dass Frauen generell weniger zugetraut wird oder Selbstsicherheit auch gerne mal als Arroganz interpretiert wird. Wir sehen es jedoch nicht als unsere Aufgabe, gesellschaftliche Verkrustungen aufzubrechen oder auch dem letzten Ungläubigen erklären zu müssen, dass Frauen auch Wein machen können. Mit unserer Präsenz als Verein bieten wir Sichtbarkeit an – und auch für kommende Generationen eine weitere Perspektive, wie man als Frau in der Region selbstständig und erfolgreich sein kann.“
Leidenschaft für Wein
„Der Beruf des Winzers/der Winzerin wird leider immer noch viel zu oft als typischer Männerberuf gesehen. Für mich macht das keinen Sinn. Es sollte kein Thema sein, ob eine Frau oder ein Mann ein Weingut führt. Kompetenz ist geschlechtsunabhängig, Wein ist es auch. Weine von Frauen schmecken auch nicht anders als die von Männern. Ich hoffe, wir kommen bald an einen Punkt, an dem sich Männer und Frauen in der Weinbranche gleichberechtigt gegenüberstehen und es selbstverständlich ist, dass Frauen im Weinkeller und im Weingarten arbeiten, und nicht angenommen wird, sie seien für Marketing und Büroarbeit zuständig“, ist Karoline Taferner überzeugt. Im Weingut Taferner im Herzen Carnuntums arbeiten drei Generationen zusammen, um 25 ha Weinberge zu bewirtschaften: „Echte Weinqualität entsteht im Weinberg und nicht im Keller, aus diesem Grund werden unsere Weingärten biologisch und nachhaltig bewirtschaftet.“
Besondere Weine keltern
„Es geht immer darum, den besten Wein in die Flasche zu bekommen“, sagt Jungwinzerin Johanna Markowitsch aus Carnuntum und tobt sich weintechnisch aus. „Ich wollte nicht gleich ins Weingut zu Hause starten, habe daher Unternehmensführung mit Schwerpunkt Marketing studiert und nebenbei drei Jahre bei Wein & Co im Einkauf sowie im Marketing gearbeitet. Diese Zeit hat mich sehr geprägt und das Interesse am Wein noch mehr verstärkt. Ich konnte mir in dieser Zeit ein tolles Netzwerk aufbauen und die Weinwelt in Österreich kennenlernen. Und so brachte mich eines zum anderen, bis ich mich vor genau drei Jahren dann entschieden habe, nach Hause zurückzukehren. Um zu Hause etwas zu bewirken, brauchte ich Erfahrung in der Produktion, also habe ich 2019 eine Weinlese in der Pfalz und im Winter 2020 eine in Südafrika absolviert. In dieser Zeit habe ich viel gelernt und festgestellt, was ich möchte: nämlich unser Weinbaugebiet – unser spezielles Fleckchen Erde hier in Carnuntum – in die Flasche bringen.“
Viele Wege führen zum Wein
Das Weingut LacknerTinnacher liegt auf einer sanften Hügelkette in der Südsteiermark, umgeben von Weinreben, Streuobst und Wiesen. Schon 2013 stellte Katharina Tinnacher auf biologische Bewirtschaftung um. Sie kennt von klein auf die schönen und schwierigen Seiten des Winzerberufs: „Das Schöne – die Vielfältigkeit – ist auch die große Herausforderung. Denn wir halten Kultivierung der Weinbergböden, Pflege der Reben, Weinausbau, Vermarktung und Verkauf der Weine in einer Hand.“
Auch mal Neues ausprobieren
Der Weinhof Vulgo Ritter liegt auf 450 m Seehöhe am sonnigen Südhang des Josefsbergs bei St. Paul im Lavanttal und ist das Zuhause von Winzerin Sabine David: „Winzerin bin
ich durch sehr viele Zufälle im Leben geworden. Meine schulische Ausbildung liegt im Bereich Maschinenbau/Wirtschaftsingenieurswesen.“ Ihre Talente? Mut, Disziplin, Genauigkeit und viel Durchhaltevermögen. Das braucht man, denn: „Der Konsument wird kritischer, interessiert sich vermehrt für die Produktion und Bewirtschaftungsweise.“
Zwei Powerfrauen
„Ein familiengeführter Betrieb mit zwei Powerfrauen an der Front, die sich um Weingarten, Keller und Vermarktung kümmern. Noch dazu liebe ich den Kontakt zu unseren Kunden und veranstalte drei Mal jährlich einen Hof-Heurigen, bei dem ich alle Gäste mit unseren hausgemachten Produkten von unseren Freilandschweinen und unserem vielfältigen Weinsortiment verwöhnen kann“, schwärmt Victoria Gottschuly-Grassl, die in die Fußstapfen ihrer Mutter Michaela treten und das Weingut in Göttlesbrunn übernehmen will.
Das Winzersein leben
Das Weingut Böheim in Carnuntum ist seit Generationen eng mit dem Weinbau verbunden und wird von Stefanie mit ihrem Vater Johann Böheim geführt. „Viele Wege führen zum Wein, bei mir handelt es sich um einen Familienbetrieb, somit bin ich mit Weinbau aufgewachsen“, sagt Stefanie und weiß: „Der Konsument möchte nicht mehr nur guten Wein trinken, sondern Wein rundum erleben, die Geschichte hinter dem Wein erfahren und verstehen. Aufmachung, Präsentation und Internetauftritt gehören einfach dazu.“
Mehr Spielraum für Wein
„Ich wurde zur Winzerin geboren. Einen großen Teil über die Reben, den Weingarten und die Weinwerdung habe ich von meinem Vater und Großvater gelernt“, verrät Christina Artner-Netzl. Gemeinsam mit ihrem Vater betreibt sie das Weingut in Göttlesbrunn: „Man spürt ganz klar die Tradition der Familie und doch den frischen Wind. Seit ich im Betrieb bin, wurde einiges neu gemacht: die Umstellung auf biologische Bewirtschaftung, schonende Verarbeitung im Keller und der Kellerzubau.“