Sportsponsoring: Das Bessere als Feind des Guten
Corona geht auch an der Werbung mit der Image-Lokomotive Sport nicht spurlos vorüber. Wer dennoch erfolgreich sein will, braucht starke Typen und die richtige Message. Wie gekonnt Sportsponsoring den Weg in Herz und Hirn der Kundschaft bahnt und was Sportstars gerade jetzt für ihre Partner bewegen können, sagt Werbe- und Sponsoring-Doyen Leodegar Pruschak.
Mitte Februar meldete das Marktforschungsinstitut Focus einen weiteren Rekord in Sachen „Bruttowerbewert des österreichischen Sportsponsoringmarkts“. Nachdem 2018 die Milliardengrenze überschritten worden war, steigerte sich die Branche 2019 laut Focus ein weiteres Mal um gut 13 Prozent auf 1,14 Milliarden Euro. Spannend: 40 Prozent entfielen im Vorjahr auf Sportevents im Inland. Satte 460 Millionen Euro konnten Sponsoren dort generieren.
Corona-Lockdown änderte alles
Nicht einmal einen Monat später verkündete die Bundesregierung den Corona-Lockdown 1.0 und damit auch den zumindest temporären Stillstand des Sports. Geschlossene Stadien, keine Live-Events, keine Fans und lange Zeit keine TV-Übertragungen. Wenig später erfolgte dann noch die Verschiebung der Olympischen Sommerspiele in Tokio und der Fußball-EM in gleich zwölf Austragungsländern auf 2021. Was all das für eines der mittlerweile wichtigsten Werbe-Tools weltweit bedeutet, analysiert ein Pionier aus dem heimischen Sportsponsoring.
Der Jurist und Bankkaufmann Leodegar Pruschak wirkt als Head of Group Marketing RBI und Geschäftsführer der zentralen Raiffeisen-Werbung. Unter vielem anderen verantwortet der heute 64-jährige Niederösterreicher die Aktivitäten des Sportsponsoring im Zeichen des Giebelkreuzes. Für den Mann, der etwa die Namen Muster, Maier und Hirscher zu drei der zugkräftigsten Werbe-Lokomotiven auf dem österreichischen Markt gemacht hat, ist die Einbindung von Sportikonen naturgemäß ein Erfolgsrezept: „Von allen Kommunikationsinstrumenten ist der Sport auch in Zeiten der Informationsüberlastung und von Social Media ungebrochen eines der wirksamsten, um für eine Marke Bekanntheit, Vertrauen und Sympathie aufzubauen.“ Zudem ließe sich ein Image kreieren, welches Werte wie Partnerschaftlichkeit, Erfolgs- und Zielorientiertheit, Stärke oder eben „österreichisch“ verströmt.
Muster, Maier und Hirscher
Die Wirksamkeit von Sportsponsoring in Sachen Imagebildung kann man nachlesen. Was dies letztlich für individuelle Kaufentscheidungen bewirkt, ist aber selbst für Leodegar Pruschak nicht immer eindeutig zuweisbar. Fix ist für ihn allerdings, dass Sportsponsoring nicht nur unmittelbare Effekte wie „Tennisschlägerfirma sponsert Tennisspieler und verkauft dadurch mehr Tennisschläger“, sondern auch mittelbare erzielen kann.
Beispiel: Jemand denkt über finanzielle Vorsorge nach, es kommt ihm dabei Hermann Maier und sein gerade aktueller TV-Spot in den Sinn und die Wahl fällt dann tatsächlich auf das beworbene Produkt. „Wenn das eintritt, ist es natürlich ideal. Nachweisbar ist jedenfalls, dass man über Testimonials eine höhere Aufmerksamkeit und eine Verstärkung der Werbebotschaft erzielt. Was unser Unternehmen betrifft, sehen wir außerdem, dass sich unsere Art der Kommunikation – Kampagnenauftritte in Kombination mit populären Sportlern – erfolgreich auf unsere Marktanteile ausgewirkt hat. Und das in allen Zielgruppen“, so Leodegar Pruschak zum Grundsätzlichen.
Für erfolgreiches Sponsoring pocht der Experte auch, und gerade jetzt, auf unerlässliche Basics. Besonders wichtig sind ihm deshalb die Glaubwürdigkeit, die Markenkonformität und die tatsächliche Relevanz des Angebots für die Kunden. Und dass dieses in den Zeitgeist passt: „Ich glaube, dass die Pandemie sehr stark zum Nachdenken anregt. Viele Menschen besinnen sich auf die wirklich wichtigen Werte wie Nähe, Partnerschaft, das Zuhause und Nachhaltigkeit. Diese Werte kann Werbung gut besetzen – wenn sie glaubwürdig ist. So haben wir etwa die Themen ,Füreinander‘ und ,Nachhaltigkeit‘ besetzt, weil sie gut zur Marke Raiffeisen passen.“ Mit dem Launch einer entsprechenden Multimedia-Kampagne habe man im vergangenen Frühjahr bis Mai gewartet, um zu sehen, wie tiefgreifend die Krise tatsächlich sei und wie sie in sämtlichen Regionen des Landes wirken würde.
Mehr Marktanteile
Wie immer in den vergangenen 20 Jahren waren und sind Pruschaks sportliche Zugpferde Teil der Strategie. Die Bekanntheit und die laut verschiedener Studien extrem hohen Glaubwürdigkeits- und Sympathiewerte des 1998 an Bord geholten Hermann Maier und des 2009 verpflichteten Marcel Hirscher liefern ihrem Sponsor auch nach den aktiven Karrieren massive Wettbewerbsvorteile.
Besonders als der Sport quasi zusperren musste und viele andere Unternehmen in Sachen Medienpräsenz zum Beispiel nicht mehr auf Live-Bilder ihrer mit Logos bestückten Testimonials setzen konnten. „Von 1998 bis 2019 haben Maier und Hirscher die Sportwelt und die Medienlandschaft beherrscht, aber darüber hinaus auch die öffentliche Wahrnehmung der Gesellschaft als echte Vorbilder. Das hilft uns in der Werbung bis heute enorm“, so Leodegar Pruschak über zwei Ski-Titanen, die er auch über deren Rücktritt vom aktiven Sport hinaus als Markenbotschafter für ihren langjährigen Kopfsponsor positionieren konnte.
Platz 3 für Raiffeisen
Zuletzt trugen der Einsatz der beiden „Sport-Pensionisten“ und dazu das Engagement bei der Fußballnationalmannschaft (seit 2003) maßgeblich dazu bei, dass sich Raiffeisen auf Rang drei der Focus-Charts in Sachen Sportsponsoring platzieren konnte. Die Messungen der medialen Logo-Präsenz ergaben für 2019 einen Werbewert von 16 Millionen Euro. Der Spitzenreiter Audi hielt Ende des Vorjahrs bei 47,2 Millionen Euro und Red Bull bei 28,5 Millionen Euro. Allein Marcel Hirscher fuhr für sein Sponsoren-Portfolio, darunter alle drei der gerade genannten Unternehmen, trotz Rücktritt Anfang September eine Medialeistung von 7,9 Millionen Euro ein.
Interessant: Noch immer ist das Fernsehen mit 68 Prozent der Gesamtsumme der wichtigste Kommunikationsträger, gefolgt von 27 Prozent aus Print-Auftritten und fünf durch Online-Präsenzen. Zunehmend wichtig werden außerdem die Social-Media-Kanäle. „Aber Instagram-Workouts oder Ähnliches mussten die beiden nicht machen. Diesbezüglich waren wir als Werbepartner eher zurückhaltend“, so jener Mann, der Ende der 1980er-Jahre mit Tennis-Legende Thomas Muster als prominentem Werbeträger begonnen hat, die Erfolgsstory seines Arbeitgebers im Sportsponsoring zu schreiben.
TV weiter Nummer 1
Was die Zukunft während, nach oder gar mit Corona betrifft, so ortet Sponsoring-Doyen Pruschak eine dramatisch veränderte Situation, da der Sport durch Absagen und den „Geisterspiel-Modus“ die einzigartigen Emotionen und die für Sponsoren nötige Sichtbarkeit nur bedingt liefern kann, viele Unternehmen durch die schwierige Wirtschaftslage selbst auf Sparkurs segeln und manche Kooperationen deshalb neu bewerten müssen.
Laut Leodegar Pruschak könnte sich die Spreu deshalb ein weiteres Mal vom Weizen trennen und die Konzentration noch weiter voranschreiten: „Die Top-Sportevents und die Top-Stars aus Fußball, Ski alpin, der Formel 1 und Tennis werden die Corona-Krise in Österreich weniger zu spüren bekommen. Ich glaube, dass die Krise die Fokussierung auf das Besondere noch verstärken wird – nach dem Motto ,Das Bessere ist der Feind des Guten‘. Sportpolitisch nicht unproblematisch, weil darunter natürlich die weniger populären Sportarten stark leiden werden.“