Julia Dujmovits
Julia Dujmovits
zwischen Piste und Yogamatte

So hält Snowboard-Queen Julia Dujmovits die Balance

Sie wollte es wieder wissen: Nach zwei Jahren Pause hat Julia Dujmovits (33) bei der Snowboard-Parallel-WM in Slowenien Bronze abgeräumt. Warum sie nicht mehr dieselbe wie früher ist, was Yoga damit zu tun hat und wie sie ­Olympia 2022 rocken will, hat sie uns im ­Interview auf dem Weingut Scheiblhofer verraten.

“Ob ich gewinne, ist mir wirklich ­total egal!“: Diesen Satz von einer Leistungssportlerin zu hören, ist eher ungewöhnlich. Bei Julia Dujmovits hat er aber keineswegs mit Gleichgültigkeit oder Lethargie, sondern mit innerer Stärke zu tun. Vertrauen statt Angst, Leichtigkeit statt Verbissenheit: Die Profi-Snowboarderin erobert in rasantem Tempo die Pisten zurück. 

Rückkehr zum Profisport

Dass Dujmovits noch einmal auf dem Board um eine Medaille kämpft, hätte niemand erwartet: 2018 gab die Südburgenländerin in einem TV-Interview überraschend ihren Rücktritt bekannt. „Das war nicht geplant, es war eine spontane Entscheidung“, erzählt die 33-Jährige. „Ich war voll bei mir, habe auf mein Inneres gehört. Dieser Schlüsselmoment in meinem Leben gibt mir heute noch Kraft und erinnert mich daran, wie wichtig es ist, das zu tun, was sich richtig anfühlt.“ 

Beginn eines neuen Wegs

Für Dujmovits bedeutet das: Weg vom montanen Profisport, raus in die weite Welt, Neues lernen und zurück ins Gleichgewicht kommen. Es folgen eine Yogaausbildung, ein Master in Coaching und Training, eine Mentaltrainer-Ausbildung sowie eine ausgiebige Reha für Knie und Sprunggelenk. Yoga und Meditation werden zu wichtigen Eckpfeilern ihres Lebens. „Mit Yoga habe ich ja eigentlich schon vor meinem Olympiasieg 2014 in Sotschi begonnen. Ich wollte damit dieses eine ­zusätzliche Prozent herausholen, das zwischen Silber und Gold entscheiden kann. Spaß gemacht hat es mir damals aber nicht“, gesteht die hübsche Athletin. Erst auf Maui lernt sie die indische Lehre von Körper und Geist auf eine neue Art kennen: Es folgt eine Umkehr vom Leistungssportgedanken zum Energietanken. „Inzwischen kann ich gar nicht nicht meditieren“, sagt sie und lacht. „Es gehört dazu wie das Duschengehen am Abend. Es bringt mich ins Reine und hilft mir, mich zu spüren und klare Entscheidungen zu treffen.“ 

Keine Kompromisse mehr

Und so stellt sie nach zwei Jahren Auszeit fest, dass es sie wieder zurück auf die Piste zieht. „Mein Verstand war dagegen. Immerhin war ich nach meinem Aus so erleichtert, aus dem System herausgekommen zu sein. Aber mein Herz wollte es einfach. Und ich habe auch gemerkt, wie sich mein Körper nach intensivem Sport sehnt.“ Also geht sie Anfang des Jahres wieder als Raceboarderin an den Start – wobei diesmal alles anders ist: Dujmovits ist erfahrener, konsequenter, effizienter geworden. „Wenn etwas nicht funktioniert, dann funktioniert es eben nicht. Das gilt auch fürs Training: Wenn ich nicht 100 Prozent geben kann und nicht in meiner Energie bin, dann lasse ich es lieber. Früher hätte ich es trotzdem durchgezogen, allein der Bewegung willen. Heute weiß ich, dass mir das nichts bringt und beim Trainingspensum weniger manchmal mehr sein kann.“

Die neueste WM-Medaille nach insgesamt 1.027 Tagen Wettkampfpause gibt ihr recht. „Das ist mehr, als ich mir nach einer so langen Auszeit und meinen Verletzungen erwarten hätte können“, meint Dujmovits. Sie ist froh, dass ihre Strategie aufgegangen ist und hofft, dass das auch in Peking 2022 so sein wird. 

Sponsoring aus der Heimat 

Unterstützung auf ihrem Weg nach Olympia bekommt sie von Winzer Erich Scheiblhofer, der derzeit das Wellness-Hotel „The Resort“ in Andau errichten lässt. Dujmovits und er haben vieles gemeinsam, vor allem aber ihren Innovationsgeist. Beide wollen Großes schaffen, beiden ist das Thema Erholung und seelisches Gleichgewicht wichtig. „Vielleicht werde ich meinen Yoga-Background in Form von Kursen im neuen Hotel einbringen – für die Urlauber oder für die Mitarbeiter“, kündigt Dujmovits an, die selbst als Yogalehrerin tätig ist, einen Yoga-Channel auf YouTube hat und in der Sendung „Yoga mit Julia“ auf sixx Austria zu sehen war. 

Die Welt per App verändern

Die Entrepreneurin hat aber auch ihr eigenes Herzensprojekt abseits des Sports: Vor ihrem Comeback hat sie mit dem Norweger Chris Rynning die App RE/MIND auf Schiene gebracht. Diese leitet an, eine Minute lang achtsam zu ­atmen. Die kurzen Sessions werden jeden Tag von einem anderen Profi geführt, jeder davon gibt seine individuellen Tipps zum Besten – etwa der österreichische Apnoe-Taucher Christian Redl, Bollywood-Star Lakshmi Manchu und Zoom-Investor Bill Tai. 

Die Heilkraft des Atems nutzen 

Die Grundidee ist, jedem bewusst zu machen, welche Kraft hinter achtsamer Atmung steckt. „Bei den meisten Menschen schwirren die Gedanken ständig um die Vergangenheit und die Zukunft. Atmung ist ein simples Tool, das dich in den gegenwärtigen Moment bringt und dir Energie gibt“, erklärt die Profisportlerin. Mit der richtigen Atemtechnik könne man den Körper aktivieren oder vor dem Schlafengehen herunterfahren, bei gesundheitlichen Problemen die Selbstheilung anregen oder zum Beispiel doppelt so lange die Luft anhalten. „Es ist ähnlich wie beim Leistungssport: Man tut Tausende Sachen, um zu siegen, aber am Ende entscheiden ganz simple Dinge, die Basics, über Erfolg oder Niederlage. Und die ­Atmung zählt zu den Basics des ­Lebens, die viele von uns leider vergessen haben.“ 

Dujmovits „nervöser als vor jedem Rennen“

Ein kleines Team rund um die App arbeitet in Barcelona daran, das zu ändern. „Wir stehen erst am Anfang, sind aber schon sehr viele wichtige Schritte gegangen. Ich bin froh, mit Chris einen so tollen Geschäftspartner gefunden zu haben, der mir hilft, meine Vision zu verwirklichen“, so Dujmovits. Die Unternehmensgründung war für sie mindestens genauso spannend wie ihre bisherigen Wettkämpfe. „Wir haben an einem Start-up-Contest mit insgesamt 330.000 Einreichungen teilgenommen und in der Kategorie ‚Europa‘ gewonnen, weltweit waren wir unter den Top-Zwölf. Bei der Präsentation unseres Konzepts war ich nervöser als vor jedem Rennen.“ 

Entschleunigung zu Hause

Kraft für Herausforderungen holt sie sich gerne in ihrer Heimat Güssing. „Ich liebe das Südburgenland für seine Ursprünglichkeit und die wunderbare Landschaft. Zwei Tage dort und ich fühle mich entspannt wie nach einem Urlaub, weil es so entschleunigend auf mich wirkt. Natürlich bin ich auch gerne unterwegs, aber ich weiß die Vorzüge meiner Heimat absolut zu schätzen.“ 

Wo und wie sie in Zukunft leben wird, darüber macht sie sich kaum Gedanken. Ihr ganzer Fokus ist auf Olympia und RE/MIND gerichtet. Eines kann sie aber mit Sicherheit sagen: „Die persönliche Entwicklung steht immer über allem. Ich muss zuerst den inneren Weg gehen, bevor ich ihn im Außen gehen kann.“