Schauspieler Karl Fischer
Schauspieler Karl Fischer
Von Commissario Brunetti bis Tatort

schaustar Karl Fischer: Alte Liebhaber sind die besseren Rollen

Der Mann der 100 Filme: Austro-Schauspielstar Karl Fischer erzählt im Interview mit Julia Pühringer vom Stadtkomödien-Dreh mit seiner Frau Susi Stach, von seinem ersten „Tatort“, vom Aufwachsen in Wieselburg und warum man zum Mörderspielen Mäuse braucht.

„Karl-Fischer-Festspiele sind das“, sagt der Schauspieler lachend am Telefon. Aber es ist Tatsache: Am 24. November war Karl Fischer in seiner ersten „Tatort“-Rolle zu sehen, tags darauf, am 25. November, in Sascha Biglers Stadtkomödie „Der Fall der Gerti B.“ gemeinsam mit seiner Frau, der Schauspielerin Susi Stach.

schau: Sie stehen nicht zum ersten Mal mit Ihrer Frau vor der Kamera – ist das gewöhnungs­bedürftig oder völlig egal?

Karl Fischer: Eigentlich schon. Es ist im Vorfeld ein bisschen eigenartig, weil wir uns ja zu Hause mit den Rollen auseinandersetzen. Jeder für sich. Meine Frau lernt wahnsinnig leicht Text. Die schaut sich das zwei Mal an und fotografiert’s im Kopf ab. Und ich hab eine Kollegin, eine Theaterschauspielerin, mit der ich den Text ganz oft durchgehe, ich muss den ganz oft sagen.

Manche Paare können auch nicht miteinander tanzen, weil keiner nachgeben kann … Wir haben einmal einen Tangokurs gemacht, das ist eigentlich ganz gut gegangen. Da führt der Mann und die Frau macht die Augen zu. Bei den Schrittkombinationen hatte ich meine Schwierigkeiten und bin ihr oft auf die Zehen gestiegen. Aber ich kann gut gehen – und da muss man ja viel ­gehen (lacht).

Sie spielen in der Stadtkomödie „Der Fall der Gerti B.“ eine Wiener Rotlicht-Größe und tragen da sensationelle Anzüge, einen schillernden braunen Nadelstreif …

Ja, da hat unsere Kostümbildnerin wirklich Großartiges geleistet. Die gefärbten Haare und den Bart hab ich mir ausgedacht. Und unserem Regisseur, dem Sascha Bigler, hat es gefallen. Orientiert hab ich mich für meine Figur ein bisschen am Peppi Stern, dem Besitzer des „Maxim“ auf der Kärntner Straße. Dort haben wir auch die Bordellszenen gedreht. Der Peppi ist schon über 80 und war immer sehr nett zu seinen Mädels. Auf ATV gibt es eine Doku über ihn, die habe ich mir immer wieder angeschaut. Er ist ja seit Jahrzehnten der ungekrönte Nachtclubkönig von Wien und wohnt im Gemeindebau. Zu seinem aktuellen Sexualleben gefragt, meint er nur „two times in the week“ – und das mit fast 90. Da staunt der Laie und der Fachmann wundert sich.

“Der Fall der Gerti B.”, Drei Freunde aus Floridsdorf – 40 Jahre getrennt und mit Lebenswegen, die unterschiedlicher nicht sein könnten, treffen an einem Abend zusammen, der ihr weiteres Schicksal für immer verändern wird.Im Bild (v.li.): Karl Fischer (Franz Aigner), Susi Stach (Gerti Bruckner), Cornelius Obonya (Jonas Lipansky). SENDUNG: ORF eins – MO – 25.11.2019 – 20:15 UHR. © ORF/Lotus Film/Petro Domenigg.

Typecasting ist Ihnen sicher vertraut oder haben Sie oft den jugendlichen Liebhaber gespielt?

Als ich ans Reinhardt Seminar gekommen bin, war ich schon 24 Jahre alt und hab immer die alten Leut spielen müssen, weil die anderen erst 17 oder 18 Jahre alt waren. So hat das begonnen. Einmal hab ich in Grillparzers „Des Meeres und der Liebe Wellen“ in Tübingen den jugendlichen Liebhaber gespielt, aber sonst nicht oft. Jetzt spiel ich die alten Liebhaber (lacht). Das sind die besseren Rollen, eindeutig.

Musik spielt sowohl im „Tatort: Baum fällt“ als auch in der Stadtkomödie eine große Rolle. Hatten Sie jemals ein musikalisches Erweckungserlebnis, wenn man so will?

Ich galt jahrelang als unmusikalisch, auch noch an der Schauspielschule. Dann musste ich bei Glawoggers Landkrimi „Die Frau mit einem Schuh“ „Unchain My Heart“ singen, also hab ich beim Herbert Tampier von den Schmetterlingen Stunden genommen und hab das dann erstaunlich gut hingekriegt. Tatsächlich hab ich im Musikunterricht einmal von einem Lehrer eine Watsche bekommen, weil er geglaubt hat, ich verarsche ihn. Und dann in der nächsten Stunde sagt er: „Fischer, komm raus, ich möcht mich bei dir entschuldigen. Ich hab gehört, du kannst ja wirklich nicht singen.“ Wie er mir eine geprackt hat, hab ich nicht weinen müssen, aber wie er mir das­ gesagt hat, hab ich mir ­gedacht, ich wein jetzt nicht, aber das ist mir schon wahnsinnig an die Nieren ­gegangen.

In der Stadtkomödie gab’s das Café Endlos. Haben oder hatten Sie auch so was Ähnliches?

Eher am Land draußen, das Reschinsky in Wieselburg. Wir waren eine Clique und sind immer herumgefahren, zur damaligen Zeit mit Moped und Auto, immer betrunken.

So sind aber auch viele Leut gestorben …

Ein Schulkollege von mir, das hab ich dann in der Zeitung gelesen, dem haben sie betrunken den Führerschein abgenommen, dann ist er heimgegangen und hat sich auf­gehängt. Weil er den Führerschein beruflich gebraucht hat. Das ist mir unverständlich. Das ist heut noch ein wichtiges Thema: Die männliche Depression schaut ja ein bisschen anders aus, ist eher aggressiv, und es würde viel Leid in der Welt verhindert werden können, wenn Männer sich damit beschäftigen würden, schlicht und ergreifend.

Die Rolle in „Murer – Anatomie eines Prozesses“, wie haben Sie die erarbeitet?

Es war schwierig, einen Trigger für diese Rolle zu finden. Schließlich soll ja jede Figur, die man spielt, immer Recht haben, auch wenn das der größte Massenmörder ist. Sonst spiele ich ja die Kritik an der Figur mit. Die kommt eh aus dem Drehbuch und aus dem Zusammenhang. Funktioniert hat das so: Wir wohnen in einem Kleingartenhaus und da kommen im Herbst die Mäuse. Und ich finde Mäuse ganz schrecklich, weil die machen überall hin. Dann hab ich irgendwo gelesen, dass für die Nationalsozialisten die Juden wie die Ratten waren. Und dann hab ich mir gedacht, so ist das Gefühl. Tatsache war, mir hat nachher der Hintern wehgetan, nach der Rolle, weil ich so lang auf dieser Holzbank sitzen musste.

Es war auch interessant, wie dann die ganzen Kollegen gekommen sind, die die Zeugen gespielt ­haben. Normalerweise begrüßt man sich da vor dem Dreh, aber ich habe gemerkt, die drehen sich alle weg und gehen in die andere Richtung.

Ich habe gehört, Sie sind ein leidenschaftlicher Gärtner. War das immer schon so?

Nein, eigentlich gar nicht. Es gibt zwei Auffassungen bei uns in der ­Familie, die von meiner Frau, man muss die Pflanzen lassen, man darf die Pflanze nicht schneiden, weil man tut ihr weh, dann wuchert aber alles so. Und ich tu wahnsinnig gern schneiden, das ist meine große Freude.

Haben Sie selbst ein Lieblings-„Tatort“-Team?

Ja, Tatort Kiel, den Borowksi. Wenn sein Volvo nicht mehr fährt, schießt er in den Motor rein.

Würden Sie so was tun? Neigen Sie zu Übersprungshandlungen?

Nein, eigentlich nicht. Schreien manchmal. Aber ich bin irgendwann draufgekommen, dass es wirklich deppert ist, auch für andere Leute, das Schreien. Meine Frau ist ja eher die, die die stille Messe zelebriert. Dann haben wir uns auf ­einen Mittelweg geeinigt.

Es sind ja nicht alle „Tatorte“ gut gealtert, ich hab letztens in einen alten mit dem Gustl Bayrhammer reingeschaut, das ist nix mehr …

Viele Filme haben nach zehn Jahren einen Bart. Aber letztens hab ich Folgen von „Der Kommissar“ gesehen, die haben sich wirklich noch was getraut. Das war nicht schlecht. Was mir wirklich sehr abgeht, sind Fernsehspiele, die ein bisschen politisch sind. Ich habe bei „Das Dorf an der Grenze“ eine Zeit lang mit­gemacht und so was gibt es heute ja überhaupt nicht mehr. Auch bei ­vielen Event Movies ist das Zentrale immer nur eine Liebesgeschichte, das Politische ist sehr an den Rand gedrängt. Ich hätte gern mehr so ­Sachen wie „Bad Banks“. Eine ­geniale Serie.

Hort der Fortschrittlichkeit ist Österreich wohl keiner …

Weltweit geht der Trend ja in die ­andere Richtung, die konservative Richtung, die rechte Richtung. Im Prinzip ist es uns noch nie so gut gegangen wie jetzt. Aber alle sind unzufrieden. Und alle sagen, es ist eine schreckliche Zeit. Ich denk mir immer, warum gibt’s nicht eine Gutmenschenpartei, die sagt, lassen wir den anderen die Vorfahrt, lächeln wir, fragen wir, können wir wem helfen. Es wäre das Paradies auf
Erden. Das ist das Schreckliche an den Rechten, dass Gutmensch etwas ­Negatives ist.

Vielen Dank für das Gespräch!

Karl Fischer im „Tatort“

„Tatort: Baum fällt“ mit Harald Krassnitzer, Adele Neuhauser, Verena Altenberger und Julia Cencig. Karl Fischer als Polizeichef Alois Feinig, ein alter Bekannter von Moritz Eisner. Bis 25. Februar 2020 verfügbar in der ARD-Mediathek.