Ski-Winter
Ski-Winter
2019/20

Riesengroße Fußstapfen: Wer tritt das Erbe von Marcel Hirscher an?

Die Lücke, die Marcel Hirscher im Skisport hinterlässt, wird nicht einfach zu schließen sein. Zu groß war die Dominanz des Salzburgers in den vergangenen Jahren. Dennoch: Viele Fahrer wittern nun ihre Chance. Die Konkurrenz steht in den Startlöchern. Aber, wer hat überhaupt das Zeug zum Gesamtweltcup-Sieger?

Aufhören, wenn es am schönsten ist und der Körper noch nicht durch schwere Verletzungen schlimm in Mitleidenschaft gezogen worden ist. Marcel Hirscher, der erfolgreichste heimische Skifahrer, hat das im September im Gusswerk in Salzburg hingekriegt. Und zwar so: „Kurz und schmerzlos: Es ist der Tag, an dem ich meine Karriere beende.“ Die Entscheidung mag für viele Skifans wie ein Schock gewesen sein. Warum jetzt? Marcel ist doch erst runde 30 und damit im besten Alter für einen Skifahrer?! In Hirschers Kopf wurde dieser Schritt aber reiflich überlegt, Pros und Kontras abgewogen. Das Familienleben sollte in den Vordergrund gestellt werden. Hirscher war immer ein Tüftler, Vorreiter, Perfektionist. Es war ein Abgang mit perfekter Planung. Am Höhepunkt trat der Dominator zurück, ein Star wird zur Legende. Die Frage, die sich die Skisportwelt nun stellt: Wer tritt das Erbe von Marcel an?

Karten neu gemischt

Der Konkurrenz öffnen sich nach jahrelanger Demontage nun wieder neue Chancen. So mancher im Herren-Weltcupzirkus wird vom Rücktritt des Überfliegers der letzten Dekade profitieren. Und wenn man ganz ehrlich ist, kann nur einer von Hirschers zwei Dauerrivalen die große Kristallkugel holen: Alexis Pinturault oder Henrik Kristoffersen. Die beiden kamen Marcel Hirscher in den vergangenen Jahren relativ „nahe“. Bei diesem Rennkalender haben Speed-Spezialisten wie Beat Feuz, Dominik Paris oder Kjetil Jansrud wenig Chancen. Der ÖSV ist im Kampf um den Gesamtweltcup künftig nur noch Außenseiter, wenn nicht eine Sensation gelingt.

Der HERO: Marcel Hirscher

© Sebastian Marko/ RED BULL CONTENT POOL

20 Kristallkugeln für die Ewigkeit

Achtmal in ununterbrochener Reihenfolge Gesamtweltcup-Sieger, Doppel-Olympiasieger, 7-facher Weltmeister, 14 Medaillen insgesamt bei Olympia und Weltmeisterschaften, 67 Weltcup-Siege, 140 Podestplätze: Hirscher galt jahrelang als Maß aller Dinge im Ski-Weltcup. Sein Nachfolger muss erst einmal gefunden werden.

Der Hoffnungsträger: Marco Schwarz (AUT)

© www.picturedesk.com

Marco Schwarz (AUT)
Wer wird Österreichs nächster Gesamtweltcup-Sieger? Ein Name, an dem man dabei nicht vorbeikommt, ist Marco Schwarz. „Das ist eine große Ehre, wenn man als Nachfolger von Marcel gehandelt wird“, sagt der 24-Jährige. In der vergangenen Saison ­gelang dem Kärntner mit _zwei Weltcup-Siegen und sogar drei Medaillen bei der WM in Åre der Durchbruch. Leider führten Kreuzband- und Innenmeniskusrisses zur Zwangspause. Die Vorbereitung läuft nach Plan, Schwarz arbeitet hart am Comeback.

Der ewige Zweite: Henrik Kristoffersen (NOR)

© Erich Spiess/ASP/Red Bull Content Pool

Der Norweger ist so etwas wie der „Kronprinz“ – unzählige Male von Marcel geschlagen, manchmal auch deklassiert. Bei der Verkündigung von Hirschers Rücktritt konnte man aus dem hohen Norden den Klang des einen oder anderen Champagnerkorkens vernehmen. Eigentlich ist es angerichtet für Kristoffersen, der in den vergangenen vier Weltcup-Saisonen immer auf dem Stockerl stand. Im Slalom wird wohl auf jeden Fall kein Weg an ihm vorbeiführen.

Der logische Favorit: Alexis Pinturault (FRA)

© Erich Spiess/ASP/Red Bull Content Pool

„Näher“ kam Hirscher in der Saison 2018/19 niemand – und doch fehlten dem Fran­zosen 401 Punkte! Alexis Pinturault ist ein klassischer Allrounder, Weltmeister in der ­Kombination, der viele Spezial-Disziplinen (23 Weltcup-Siege) fährt. Einerseits macht es das schwieriger für ihn, überall konstant auf Top-Niveau zu sein. Andererseits ist sein voraussichtlich schärfster Konkurrent, Henrik Kristoffersen, noch nie Super-G oder ­Abfahrt gefahren. Der neue Gesamtweltcup-Sieger? Pinturault muss auch erst liefern …

Der Wilde: Manuel Feller (AUT)

© EXPA/ JFK

Er ist eine der schillerndsten Figuren im Weltcup: Unkonventioneller Fahrstil bis an die Grenzen der Physik, ein etwas wilderes Aussehen und eine große Prise Show. Der Fieberbrunner hat immer einen flotten Spruch auf Lager, genauso wie das Zeug zum Siegfahrer – vor allem im Slalom und Riesenslalom. Woran Feller aber unbedingt arbeiten muss: Er ist zwar sehr schnell, aber auch unglaublich ausfallgefährdet. Die Blicke und Hoffnungen der Ski-Fans ruhen trotzdem schon auf ihm.

Die Youngsters & Außenseiter: Clément Noël (FRA), Beat Feuz (SUI), Dominik Paris (ITA)

Ein Franzose, ein Schweizer und ein Südtiroler komplettieren den Favoritenkreis.
Wobei man dem Trio wohl nur Außenseiterchancen einräumen dürfte. Clément Noël hat in der vergangenen Saison nach Wengen auch den Slalom in Kitzbühel gewonnen. Beat Feuz ist eher mit vollem Karacho unterwegs. Und das konstant, er holte sich die ­vergangenen beiden Saisonen Abfahrtskristall. Der ­sympathische Dominik Paris zeigte vor allem nach dem Jahreswechsel mit fünf ­Saisonsiegen auf, darunter der Hahnenkamm-Klassiker in Kitzbühel.

Auch wenn vielleicht niemand die drei auf der Rechnung hat, eines darf man nicht vergessen: In der Saison I nach Marcel ist alles möglich …

Dürreperiode beim ÖSV?

Geduld ist bei den ÖSV-Herren das oberste Gebot, vor allem in Hinblick auf die Große Kristallkugel. Nach den Rekorden des letzten Jahrzehnts durch die Gallionsfigur müssen die Erwartungen stark heruntergeschraubt werden. Denn, zieht man Hirschers Siege ab, bleiben aus den vergangenen fünf Saisonen insgesamt nur 24 Weltcup-Siege. Auch von den Podestplätzen im Zeitraum 2015/16 bis zum Ende der Saison 2018/19 holte Hirscher alleine 79 – das ist fast genau die Hälfte (gesamt 157 ÖSV-Stockerlplätze)! Kein Wunder also, dass die österreichischen Fahrer wie Marco Schwarz, Manuel Feller, Vincent Kriechmayr und Co in Hinblick auf den Nationencup liefern müssen. Doch wäre es höchst unfair, von den Läufern jetzt ähnliche Wunderdinge zu verlangen. Die anderen Länder, wie Frankreich und die Schweiz, rücken nach. Es wird voraussichtlich ein Kopf-an-Kopf-Rennen in dem von Österreich traditionell dominierten Bewerb geben. Die ÖSV-Mannschaft ist gut, gespickt mit vielen Jungen, die jetzt aus dem Schatten treten können. Ob es für Erfolge reicht, wird sich zeigen. Der Ski-Winter 2019/2020 wird jedenfalls spannender als zuvor.

Highlights im Ski-Winter

  • 30. November & 1. Dezember: Lake Louise (CAN)
  • 6.–8. Dezember: Beaver Creek (USA)
  • 20.–21. Dezember: Gröden (ITA)

2020

  • 8. Jänner: Madonna di Campiglio (ITA)
  • 11.–12. Jänner: Adelboden (SUI)
  • 17.–19. Jänner: Wengen (SUI)
  • 24.–26. Jänner: Kitzbühel (Ö)
  • 28. Jänner: Schladming (Ö)
  • 28. Februar & 1. März: Hinterstoder (Ö)
  • 18.–22. März: Weltcup-Finale in Cortina d’Ampezzo (ITA)