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18. April 2024
Wirtschaft Wohnen

ReUse am Bau – aus Alt wird Neu

Nachhaltigkeit spielt auch in der Bauwirtschaft eine immer größere Rolle. Vorreiter Richard Woschitz erklärt im Interview, was es mit dem ReUse-Boom auf sich hat und was alte Rotorblätter von Windrädern mit modernen Brücken zu tun haben.

Visualisierung einer Brücke aus einem Rotorblatt eines Windrads im Grünen mit Fußgängern und Radfahrern.
So geht Nachhaltigkeit: Das ehemalige Rotorblatt eines Windrads kann als Brücke verwendet werden. © Woschitz Group

schau: Welche Rolle spielen Nachhaltigkeit, Klimaschutz und Reise in der Bauwirtschaft?

Richard Woschitz: Einen sehr großen, immerhin entfallen 40 Prozent des weltweiten Energieverbrauchs auf Gebäude. Die Europäische Kommission hat den Mitgliedsstaaten deshalb ein umfangreiches Instandsetzungs- und Sanierungsprogramm vorgegeben. Und genau da liegt der Hase im Pfeffer beziehungsweise der Ziegel auf der Baustelle. Baustoffherstellung und Bauausführung, egal ob Massiv- oder Holzbauweise, tragen zu einem beträchtlichen CO2-Ausstoß und einem hohen Energieverbrauch bei. Aber gerade energietechnisch optimierte Gebäude können diesen erhöhten Energieeinsatz durch den verringerten Ausstoß von Treibhausgasen im Laufe der Zeit mehr als kompensieren. 

Welche Baustoffe sind in diesem Zusammenhang die beste Wahl? 

An dem immer wieder zitierten Gegensatz zwischen Massiv- und Holzbauweise, den es in der Praxis so nicht gibt, zeigt sich, dass unterschiedliche Ansätze der Betrachtung möglich sind. Zement, Ziegel und andere mineralische Baustoffe benötigen einen hohen Energieeinsatz bei der Herstellung, punkten aber durch Langlebigkeit und gute Instandsetzungsmöglichkeiten. Bei der Holzbau-weise wiederum wird auf Nachhaltigkeit und CO2-Bindung gesetzt. 

Was bedeutet ReUse?

Hinter dem Begriff ReUse steckt nichts anderes, als dass man im Zuge von Abbruch- oder Renovierungs-arbeiten Baustoffe so trennt, dass man sie in der eigentlichen Form beziehungsweise in möglichst gering aufbereiteter Form wiederverwerten kann. Diese Methodik senkt natürlich ganz maßgeblich den Ener-gieverbrauch bei Neubauten und -Sanierungen. Schon früher, in Krisenzeiten, wurde aus finanziellen Gründen viel mit Abbruchmaterial gebaut. Bis in die 1960er-Jahre des vorigen Jahrhunderts wurden mehrgeschoßige Wohnbauten zum Beispiel mit Abbruchziegeln von kriegsbeschädigten Objekten errichtet. Bereits damals hat sich gezeigt, dass mit standardisierten Baumaterialien, die relativ leicht rückbaubar sind, gut weitergearbeitet werden kann. In der heutigen Zeit nennt man das Kreislaufwirtschaft. 

Haben Sie aktuelle Beispiele für Wiederverwendung am Bau?

Im Tiefbaubereich wird bereits mit großen Mengen an aufbereitetem Betonbruch oder Asphaltdecken gearbeitet. Aber hinter dem Begriff ReUse steckt noch viel mehr. Bauteile sollen in ihrer Gesamtheit möglichst ohne zusätzlichen Energieeinsatz verwendet werden. Ein gutes Beispiel dafür sind Fenster oder Türen. Ausgebaute hochwertige Fenster können oft mit normalem Wartungsaufwand und kleineren Reparaturen wieder eingebaut und weiterverwendet werden. Diese Möglichkeiten benötigen bereits im Vorfeld eine gute und sorgfältige Planung. Das führt in weiterer Folge zu neuen Bauweisen und -techniken. Obwohl die heute übliche Nutzungsdauer von Gebäuden im Schnitt bei über 60 Jahren liegt, ist es gerade diese Langlebigkeit, auf die geachtet und die gefördert werden sollte.

Auch Sie nehmen an der „ReUse-Challenge“ teil. 

Genau. Neuerdings stoßen fast exotische Bauteile für eine Wiederverwendung am Bau hinzu. Ein aktuelles Projekt aus unserem Büro zeigt die Wiederverwertung von ausgeschiedenen Rotorblättern von Windkraftanlagen. Die alten Flügel sind aufgrund ihrer Verbundwerkstoffe nicht recycelbar, können aber als primäres Tragelement für neuartige ökologische Radwegbrücken dienen – ein tolles Beispiel für die Verbindung von Maschinenbau mit ingenieurmäßigen Gestaltungen am Bau. Ich bin gespannt, wie sich die Branche in den nächsten Jahren weiterentwickeln wird. Diese vielfältigen Bemühungen hinsichtlich ökologischer Sicherung, Energieeinsatz und auch thermische Sanierungen sollen ja letztendlich zu einem günstigen, aber auch gesunden und hochwertigen Wohnen und Leben beitragen.

Danke für das Gespräch.

ReUse in der Woschitz Group

Das erste Unternehmen der Woschitz Group wurde 1996 von Richard Woschitz gegründet. Heute bildet ein Netzwerk an Ziviltechnikbüros in Wien, Feld-kirchen (RWT Plus), Eisenstadt, Oberwart (Woschitz Engineering) und Mödling (DWP Ingenieure) die Basis. Als erste Auslandsgesellschaft wurde 2018 die RWT Plus CZ in Znaim gegründet, heuer kam die RWT Deutschland GmbH hinzu. Zusätzlich zählen Kompetenzzentren für die Projektentwicklung (Pannonia Consult) und die Immobilienbewertung (InterREC) zur Woschitz Group. Die Experten des Unternehmens erstellen übrigens auch als Sachverständige Befunde und Gutachten.