Ein Superstar
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im Porträt

Ralph Fiennes: Weil ich gut bin

Ralph Fiennes drehte seinen dritten Film als Regisseur – über den jungen Rudolf Nurejew. Der Superstar über Selbstzweifel, Querfinanzierung durch „Harry Potter“, das Leben im James-Bond-Universum und die Wichtigkeit von „Schindlers Liste“.

Nurejew war bekannt für seine künstlerischen Ambitionen, diesen unbändigen „Hunger“, wenn man so will, haben Sie den auch? Muss man dafür nicht auch Egoist sein?

Bei jedem Künstler ist dieser Hunger, diese Suche anders, aber in dem Beruf erkennt man schon, dass Nurejew die Latte, was Kompromisslosigkeit betrifft, recht hoch legte. Nicht jeder muss so egozentrisch und streitlustig sein wie er, er war schon sehr schwierig. Aber natürlich muss man in irgendeiner Form ein Ego haben. Ein Lehrer in der Schauspielschule hat mir einmal gesagt: Wenn du Schauspieler werden willst, sagst du eigentlich, dass Leute für dich zwanzig Pfund Eintritt zahlen sollen. Das sagt natürlich schon etwas über dich aus, genauso wie der Wunsch, dass einen die Leute anschauen.

Und, warum sollen wir also 20 Pfund zahlen, um Ihnen beim Schauspielen zuzuschauen?

Weil ich gut bin.

Wissen Sie das?

Ja.

Woher?

Weil ich es einfach weiß. Ich habe durchaus viele Momente der Unsicherheit, wo ich mir denke, ich bin nicht gut, aber ich glaube daran, dass ich gut sein kann. Sonst könnte ich das alles nicht machen, nicht wahr? Wenn ich glaube, ich bin scheiße. Ich muss mir selbst gegenüber ehrlich zugeben können, dass ich glaube, das wert zu sein. Ich weiß, dass ich versagen kann. Der Grat ist sehr schmal. Es beinhaltet ein Risiko, wenn man sagt, ich bin gut darin, weil man dann sehr schnell nicht gut ist. Und ich weiß, ich war auch schon nicht gut.

Nurejew wusste schon als Kind, dass er Tänzer werden wollte. Wann wussten Sie, dass Sie Schauspieler werden wollten?

Als ich 17 oder 18 Jahre alt war. Ich ging damals auf die Kunstschule. Ich dachte eigentlich, ich will Maler werden. Dann besuchte ich das Grundstudium, das dauert ein Jahr lang, und man versucht sich in Design, Fotografie, Mode, Textilien, Industrie-Design und Kunst. Das war sehr explosiv, es sollte einen auf eine Art aufrütteln, einen ein bisschen im Kopf herumschubsen, stimulieren. Ich bin so draufgekommen, dass ich Schauspieler werden wollte. Ich habe schon in der Schule gespielt, und ich war angeblich gut, sagte man.

Warum haben Sie Puschkin gespielt, weil Sie wollten, oder weil Sie einen Star im Film brauchten?

Ich wollte eigentlich überhaupt nicht im Film drin sein, ich habe in zweien meiner Filme mitgespielt, und das macht ziemlich viel Druck. Außerdem gefiel mir die Idee, dass alle Russen im Film Russen sind, die Russisch reden, aber das war eine große Herausforderung bei der Finanzierung, man wollte einen vorrangig englischsprachigen Film. Und ich wollte einen Unbekannten als Nurejew, also war es eine russische ausführende Produzentin, die zu mir gesagt hat, wenn du russisches Investment willst, solltest du einen Namen haben, und warum bist du nicht einfach selbst drin, du hast einen Namen, wieso spielst du nicht einfach Puschkin?

Russisch ist ja auch nicht Ihre Muttersprache …

Ja, ich sprach zwar ein wenig Russisch, aber nicht auf dem Niveau. Und ich wusste, das wird anstrengend: Weil ich kann auf russische Wörter nicht einfach so zugreifen wie in meiner Muttersprache. Die Verbindung zur Emotion, von Hirn und Herz und Zunge, ist da etwas anderes, man muss nicht nachdenken. So aber muss man die Zeilen einüben und die Emotionen auch, und man weiß, sobald man den Mund aufmacht, wird man Fehler machen.

Wie wichtig ist es Ihnen, als Filmstar in Franchise-Filmen wie „James Bond“ oder „Harry Potter“ dabei zu sein?

All diese Filme helfen mir dabei, um Filme wie diesen zu machen, das geht eben, wenn man bekannt ist. „Harry Potter“ war ein großer Segen, weil ich doch sehr viel eigenes Geld in „Coriolanus“ gesteckt hatte, das ging nur dank „Harry Potter“ …

Ist das ein Druck, wenn man in so einer riesigen Maschinerie für „James Bond“ dabei ist?

Nicht so schlimm wie für Daniel Craig (lächelt). Aber klar, es gibt immer Druck, weil einfach an jeden Bond-Film hohe Erwartungen gestellt werden, aber es gibt gute Regisseure, und wem tatsächlich die Qualität der Filme echt am Herzen liegt, ist Daniel (Craig). Er ist eine echte Triebkraft, sehr dahinter, dass die Filme eine gewisse Glaubwürdigkeit haben, natürlich müssen sie auch erfüllen, was die Leute wollen, aber Daniel kennt nichts, wenn es um die Qualität des Drehbuchs, der Szenen, des Gesamtprodukts geht.

Nurejew hat immer sehr hart gearbeitet, bei Ihnen kommt einem das auch so vor, ist das auch der Grund für Ihren Erfolg?

Vielleicht. Erfolg – was ist das? Harte Arbeit, ein bisschen Glück, Filme, die am Ende gut sind, das hilft, es sind ziemlich viele Faktoren.

Als Meryl Streep „The Iron Lady“ gedreht hat, hat man ihr Gin ans Set gebracht. Hat Ihnen jemand Wodka gebracht?

Niemand! Dabei hätte ich ihn gebraucht! Ich habe dann einen Drink im Hotel genommen. Wenn ich spiele, genehmige ich mir am Ende des Drehtags gerne einen Drink.

Sind die Selbstzweifel inzwischen weniger?

Ich komme immer noch ans Set und habe das Gefühl, ich habe das schon mal gemacht, aber wie geht das nochmal? Ich hoffe, das ist ein gutes Zeichen. Als junger Schauspieler ist man ja mehr so drauf: Ich check das schon, ich kann das. Und man hat eine Art Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, und es könnte durchaus sein, dass es das ist, was einen als Performer zu diesem Zeitpunkt attraktiv macht.

„Schindlers Liste“ wurde heuer 25 Jahre alt. Wie wichtig war der Film für Sie?

Der Film war für alle immens wichtig. Wegen seines Themas. Wie wichtig er für Steven Spielberg war, hat man beim Dreh jeden Tag gespürt, das war wirklich viel Adrenalin. Der Film hat alle, die Teil davon waren, gezeichnet. Es hat sich damals nicht wie Hollywood angefühlt, es hatte eine Dringlichkeit für Steven als jüdischen Filmemacher, die Geschichte zu erzählen. Aber es war auch sehr bewegend, den kollektiven Glauben an den Film zu spüren, während wir ihn gemacht haben, und als er später zu dem Erfolg wurde, der er weltweit war, war das doppelt lohnend. Er wird immer noch an Schulen gezeigt, ist eine Lehrstunde über den Holocaust, auch wenn er „Unterhaltung“ ist und keine Geschichtestunde, es hat eine dramatische Kraft und etwas Wichtiges zu sagen.

Vielen Dank für das Gespräch.

 

Nurejew – The White Crow

Zum dritten Mal führt Ralph Fiennes Regie: Er erzählt quasi „Nurejew vor Nurejew“, die Geschichte vom jungen russischen Tänzer Rudolf Nurejew (gespielt vom ukrainischen Tänzer Oleg Ivenko), der als russischer Tanzvirtuose bekannt wird und bei einem beruflichen Aufenthalt in Paris in den 1960er-Jahren trotz permanenter Überwachung durch den KGB den Drang zur Freiheit erkennt und so erst seine Weltkarriere startet. Ralph Fiennes selbst ist in einer Nebenrolle als Nurejews Tanzlehrer zu sehen. Koproduziert wurde der Film u. a. von Liam Neeson.