Peter Hanke: Wiens Krisenhilfe steht bereit
Die Corona-Krise stellt die Wiener Wirtschaft weiter vor sehr große Herausforderungen. Finanz- und Wirtschaftsstadtrat Peter Hanke weiß, dass schnelle und wirksame Maßnahmen vonseiten der Politik gefordert sind.
Herr Stadtrat, die Corona-Krise dauert an. Kann man den wirtschaftlichen Schaden für Wien schon beziffern?
Peter Hanke: Die Situation hat sich aufgrund des aktuellen Lockdowns noch einmal verschärft. Wir rechnen mit rund acht Prozent an negativer Wirtschaftsleistung für 2020. Und wir haben auch unsere Aussichten für das Jahr 2021 nach unten korrigieren müssen. Sind wir Anfang des Jahres noch davon ausgegangen, dass es einen relativ starken Nachzieheffekt geben könnte, hat sich das mittlerweile geändert. Wir liegen mit unseren Berechnungen bei rund 2,5 bis 2,7 Prozent an Wachstum. Für europäische Verhältnisse immer noch ein guter Mittelwert. Es bedeutet aber auch, dass wir von der Gesamtwirtschaftsleistung von 100 Milliarden Euro pro Jahr, die wir in Wien erwirtschaften, doch einige Abstriche machen müssen.
Niemand kann in die Zukunft blicken. Da sich die Situation ständig verändert, müssen die zweifelsfrei zahlreichen Unterstützungsleistungen der Stadt laufend nachjustiert werden. Wie wird gerade Unternehmerinnen und Unternehmern geholfen?
Peter Hanke: Es war mir immer wichtig, dass wir unsere Unterstützungsleistungen additiv zu jenen des Bundes anbieten, sodass kein Unternehmen gezwungen ist, zu entscheiden, ob es eine Bundes- oder eine Landesleistung annehmen kann. Das haben wir im Bereich Arbeit, Wirtschaft, aber auch bei Gesundheitsthemen bewiesen. Wir haben über 40 unterschiedliche Förderungen, Zuschüsse und Unterstützungsinstrumente entwickelt.
Mehr als 400 Millionen Euro wurden in den letzten Monaten investiert. Beispiele sind die überbetriebliche Ausbildung, wo Lehrlinge die Möglichkeit bekommen, in besonders betroffenen Bereichen wie der Gastronomie und Hotellerie einen Teil ihrer Ausbildung fortzusetzen. Oder die Aktion 50 plus für ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Und natürlich müssen wir uns in dieser schwierigen Zeit auch um die Langzeitarbeitslosigkeit kümmern. Wir versuchen, die Umschulung voranzutreiben. Da haben wir ein eigenes Projekt mit über 1.500 Plätzen – mit Jobs plus Ausbildung – geschaffen, bei dem Mangelberufe bedient werden, ob das jetzt im IT-Bereich ist oder in der Pflege.
Ich möchte einmal mehr betonen, dass Arbeitsmarktpolitik natürlich auch Bundessache ist und wir hier auf Bundesebene dafür Sorge tragen müssen, dass diese Initiativen auch noch einmal nachdrücklichst adressiert und verstärkt werden müssen. Ich habe jedoch auch immer gesagt, dass diese Krise erst dann vorbei sein wird, wenn das Impfthema soweit abgearbeitet ist.
Ich habe das Gefühl, dass sich die Unterstützungsideen der Stadt Wien, und dabei die ganz konkreten Projekte, auf einer partnerschaftlichen Ebene auch mit der lokalen Wirtschaft und mit allen Stakeholdern bewegen. Dieses Projekt „Stolz auf Wien“ ist ja so etwas, zu dem man sagt: „tolle Initiative“. Wie ist da derzeit der Stand?
Peter Hanke: Wir haben rund 40 Millionen Euro an Kapital gesammelt, von Banken, aus dem Stadtbereich, von der Wirtschaftskammer. Und wir haben einen starken Hebel durch die Institutionen. Das gibt uns jetzt die Möglichkeit, direkt Unternehmen anzusprechen. Die einfache Formel ist am Ende die: Wir bieten eine Partnerschaft auf Zeit an, auf gesellschaftsrechtlicher Ebene bis zu 20 Prozent der Anteile zu übernehmen, auf die Dauer von sieben Jahren bis zu maximal rund einer Million Euro. Die ersten Unternehmen sind bereits an Bord: Frey Wille aus dem Schmuckbereich, Adamol aus dem Mineralölbereich, das Vestibül gleich neben dem Rathaus, das Café Ritter, compact electric und andere.
Was hat es mit dem Passus „relevant für Wien“ zu tun?
Peter Hanke: Natürlich ist für mich jede einzelne Unternehmung in dieser Stadt von Bedeutung, jeder einzelne Arbeitsplatz. Mit Relevanz meinen wir, dass es hier eine Verbundenheit zum Standort über mehrere Jahre, wenn nicht Jahrzehnte gibt. Unternehmen, die auch sonst an sich als gesund bezeichnet werden, betriebswirtschaftlich, die jetzt in der Krise, der Corona-Krise, in eine Schräglage gekommen sind. Und natürlich ist auch die Anzahl der Arbeitsplätze, die abgesichert werden, eine wesentliche Frage, die damit verbunden ist. Und dann gibt es auch Produkte, die man kennt, die man schätzt, die man auch weiterhin auf dem Markt sehen will, bei denen der Effekt weit über die Landesgrenzen hinaus spürbar ist.
Kommen wir zu Stadthotellerie und Tourismus – zwei wirklich massivst betroffene Branchen. Muss man da mit einer Pleitewelle rechnen?
Peter Hanke: Ich hoffe nicht. Wir haben rasch ein Hotelpaket im Ausmaß von 15 Millionen Euro geschnürt, um zu helfen. Ein Paket, mit dem das -Aufsperren ermöglicht werden soll. Eine Art Prämie, um das Wiederhochfahren in der Hotellerie zu erleichtern. Das ist, um es zu wiederholen, zusätzlich zu den Leistungen, die der Bund anbietet. Wir hatten im Tourismusbereich ein sehr erfolgreiches Jahr. 2019 war ein Rekordjahr mit der Umsatzmilliarde bei den Beherbergungsbetrieben – das macht es natürlich unglaublich schwierig, weil wir hier stark absacken. Wir wissen, dass wir rund 75 Prozent weniger Gäste haben.
Wir müssen alles dafür tun, uns an Regeln halten, damit wir möglichst schnell in einen Bereich kommen, wo wir wieder öffnen können. So haben wir für das Jahr 2021, für die Osterzeit und danach, eine positive Perspektive. Dass wir das mit einer zusätzlichen Werbe-linie, mit zusätzlichen Produkten im Touristik-Bereich unterstützen, ist selbstverständlich. Ich freue mich auch, dass es gelungen ist, Veranstaltungen wie das Erste Bank Open, als eines der wenigen großen Turniere mit Zuseherinnen und Zusehern, abzuwickeln.
Vor Kurzem ist das Sicherheitsgefühl, das wir alle, die in dieser Stadt leben oder sie besuchen, lieben und schätzen, durch den feigen Anschlag in Wien massiv ins Wanken geraten. Wird das einen Einfluss auf den zukünftigen Tourismus haben?
Peter Hanke: Wir sind die letzten zehn Jahre als die lebenswerteste Stadt der Welt eingestuft worden. Unter anderem, weil wir eine sichere Stadt sind. Diese sichere Stadt kann man anhand von unterschiedlichen Faktoren feststellen und festhalten. Die haben sich mit diesem traurigen und unglaublich feigen Anschlag nicht nachhaltig verändert. Aber richtig ist auch, dass solche Ereignisse schwer auszuschließen sind. Wir versuchen, unseren besonderen Wien-Weg immer weiter zu gehen, indem wir versuchen, die Gesellschaft zusammen in eine gemeinsame, friedliche Entwicklung zu führen. Damit man auch weiterhin in der Welt sagen kann: „Wien ist eine sichere, lebenswerte Stadt!“
Zum Schluss: Welche Wünsche haben Sie ganz persönlich für das kommende Jahr 2021?
Peter Hanke: Eine möglichst schnelle Versorgung mit einer Corona-Impfung sicherstellen. Große Eckpunkte für 2021 sind zum einen das 600 Millionen Euro Konjunkturpaket, Maßnahmen zur Sicherung von Arbeitsplätzen, Förderung von Ausbildung und Qualifikation. Wir wollen EPUs und KMUs aus der Krise heraus helfen! Wir haben soeben ein Koalitionspaket geschnürt, das vor allem Maßnahmen für die Bewältigung der COVID-Krise beinhaltet. Das wird das kommende Jahr prägen. Es ist unser klares Ziel, stärker aus dieser Krise herauszukommen. Und dafür brauchen wir die Wienerinnen und Wiener. Gerade deshalb aber sehe ich guten Mutes in dieses kommende Jahr.
Vielen Dank für das Gespräch.