Österreich und das Universum: Unsere Spuren im Weltall
Ob Stufenrakete, Countdown, Postrakete oder wissenschaftliche Experimente im Weltall: Österreichische Beiträge zur Raumfahrt reichen bis ins 16. Jahrhundert zurück und enden nicht mit Franz Viehböcks Flug zur Raumstation „Mir“.
“Three, two, one – Ignition … and lift-off!“ Spätestens seit den bemannten Mondflügen des Apollo-Programms ist es für uns selbstverständlich, dass die letzten Sekunden vor dem Start ins Weltall heruntergezählt werden. Erfunden hat diesen Countdown aber nicht die NASA, sondern der in Wien geborene, legendäre Filmregisseur Fritz Lang („Metropolis“, „M“) im Jahr 1929 für seinen Science-Fiction-Stummfilm „Frau im Mond“. „Als ich das Abheben der Rakete drehte, sagte ich: Wenn ich eins, zwei, drei, vier, zehn, fünfzig, hundert zähle, weiß das Publikum nicht, wann es losgeht. Aber wenn ich rückwärts zähle – zehn, neun, acht, sieben, sechs, fünf, vier, drei, zwei, eins, NULL! –, dann verstehen sie“, so Lang.
Diesen Geniestreich hat auch die NASA anerkannt. 1964 lud sie ihn in ihr Raketenforschungszentrum ein und bestätigte ihm, dass vieles aus seinem Film Wirklichkeit geworden ist. „Wie zum Beispiel das Abstoßen der ausgebrannten ersten Rakete, so wie es heute gang und gäbe ist“, schrieb Lang in einem Brief. „Das Wichtigste aber war, und darüber ist viel geschrieben worden und ist hier erst vor ein paar Wochen im TV wieder erwähnt worden, dass ich den Countdown erfunden habe.“
Drei Stufen hat die Rakete
Nicht nur der Countdown ist seit der Mondlandung einem breiten Publikum bekannt. Seither wissen auch viele: Um Menschen und Material in eine Erdumlaufbahn zu bringen, werden Mehrstufenraketen verwendet. Die meisten haben – wie die Saturn V des Apollo-Mondprogramms – drei Stufen. Kaum jemand weiß hingegen, dass dieses Prinzip von Conrad Haas schon 1529 beschrieben worden ist. In Wien geboren, kam der Büchsenmacher als Zeugwart der kaiserlichen Armee in die siebenbürgische Hermannstadt (heute: Sibiu). Dort vollendete er sein „Kunstbuch“ mit Ausführungen zur Raketentechnik – und einem pazifistischen Appell: „Aber mein Rath mehr Fried und kein Krieg, die Büchsen do sein gelassen unter dem Dach, so wird die Kugel nit verschossen, das Pulver nit verbrannt oder nass, so behielt der Fürst sein Geld, der Büchsenmeister sein Leben; das ist der Rath so Conrad Haas tut geben.“
Wenn heute von friedlicher Nutzung von Raketentechnologie die Rede ist, geht es meist um die Raumfahrt. Davon konnte zu Lebzeiten von Conrad Haas noch keine Rede sein. Selbst bei Jules Vernes „Reise um den Mond“ aus dem Jahr 1870 dient nicht eine Rakete, sondern eine überdimensionale Kanone als Transportmittel für das Raumschiff; bei der „Frau im Mond“ 1929 war es bereits selbstverständlich: Der Weg zum Mond wird mit einer Rakete zurückgelegt.
Begeisterung fürs Weltall in der Zwischenkriegszeit
Zu dieser Zeit war ein regelrechtes Weltraumfieber entflammt, auch in Österreich. 1926 gründeten Franz von Hoefft und Guido von Pirquet die „Wissenschaftliche Gesellschaft für Höhenforschung in Wien“. In Deutschland wurde der „Verein für Raumschiffahrt“ gegründet. In dessen Zeitschrift „Die Rakete“ veröffentlichte Pirquet Artikel über interplanetare Flugbahnen zu Mars, Jupiter, Saturn und Venus. Diese Artikel und das von Pirquet mit anderen Weltraumforschern veröffentlichte Buch „Die Möglichkeit der Weltraumfahrt. Allgemeinverständliche Beiträge zum Raumschiffahrtsproblem“ trugen viel zur Popularität der Raumfahrt bei. Wie gut Pirquets Berechnungen waren, sollte sich Jahrzehnte später zeigen: Die erste sowjetische Sonde zur Venus nutzte die von ihm berechnete Flugbahn. Auch mit dem bemannten Flug zum Mars setzte sich Pirquet auseinander. Nach seinen Berechnungen könne eine Marsrakete nicht direkt von der Erde starten. Wegen der notwendigen Schubkraft der Düse wäre sie zu groß. Die Lösung für dieses Problem lieferte er gleich mit: eine um die Erde kreisende Raumstation als Zwischenstation.
Die Rakete als Briefträger
Ein bemannter Flug zum Mars ist immer noch Zukunftsmusik, um 1930 trieb die Raketenbegeisterung aus heutiger Sicht seltsame Blüten. Ein Beispiel ist die Postrakete. Am 2. Februar 1931 startete der Grazer Friedrich Schmiedl die weltweit erste Postrakete. Vom Schöckl bei Graz transportierte sie 102 Briefe in das fünf Kilometer entfernte Dorf St. Radegund. Schmiedl war mit seiner Idee damals nicht alleine: In vielen Ländern wurden zu Beginn der 1930er-Jahre Versuche mit Postraketen durchgeführt. Spezielle Briefmarken waren bei Sammlern begehrt und halfen bei der Finanzierung.
Auf Betreiben der Österreichischen Post wurde die Ausgabe von privaten Wertzeichen verboten. Einsatzmöglichkeiten sah Schmiedl im „rapide anwachsenden Fremdenverkehr und Bergsport“, wie er in einem Zeitungsartikel schrieb. „Es kann die Briefpost mittels Bahn oder Auto bis zur letzten Talstation gebracht werden, von wo sie mithilfe einer kleinen Postrakete in wenigen Augenblicken in die nähere Umgebung der Schutzhütten geschossen werden kann.“ Hier sind schon die seit ein paar Jahren kursierenden Ideen zur Paketzustellung mit unbemannten Drohnen zugrunde gelegt. In weiterer Folge seien dann auch Langstreckenflüge möglich, so könnten Briefe in nur zwei Stunden von Europa nach Amerika transportiert werden. Vom Weltall waren Schmiedls Raketen noch ein Stück entfernt. Bei den großen Raumfahrtprogrammen der USA und der Sowjetunion blieb Österreich vorerst nur die Rolle des Zuschauers.
Messgeräte und Satelliten
Das änderte sich 1969. Mit einer norwegischen Rakete flog erstmals ein in Österreich gebautes Messgerät ins All. Willibald Riedler, Professor an der TU Graz, war der Kopf dieses Projekts und unter seiner Leitung wurden in den folgenden Jahrzehnten etwa 70 Weltraumprojekte verwirklicht, die meisten davon mit der Sowjetunion. In Österreich entwickelte Instrumente waren an Bord der Venus-Sonden Venera 13 und 14, sie flogen mit Vega 1 und 2 zum Halleyschen Kometen und mit Phobos zum Mars. Seit 1975 ist Österreich auch an Programmen der European Space Agency (ESA) beteiligt, 1981 wurde es assoziiertes Mitglied, 1987 Vollmitglied. Für Rosetta, die erste Raumsonde, die auf einem Kometen landete, entwickelte Riedlers Team ein Rasterkraftmikroskop. Der nächste Meilenstein war TUG SAT-1, der erste österreichische Satellit. Er flog an Bord einer indischen Rakete in den Orbit, wo er immer noch um die Erde kreist.
Unser Sonnensystem längst verlassen haben zwei eher skurrile österreichische Beiträge zur Raumfahrt. An Bord der interstellaren Voyager-Sonden befinden sich die „Voyager Golden Records“. Das sind Datenplatten – beim Start der Sonden im Jahr 1977 eine aktuelle Technologie –, die nach dem Prinzip einer Schallplatte funktionieren. Zu den enthaltenen Tondokumenten gehört neben Musik von Mozart auch eine Grußbotschaft an Außerirdische, gesprochen vom damaligen UNO-Generalsekretär Kurt Waldheim.
Der Österreicher im Weltall
Das bekannteste Raumfahrtprojekt mit österreichischer Beteiligung ist aber ohne Zweifel AUSTROMIR. Es hatte zwei Ziele: wissenschaftliche Experimente durchzuführen – etwa zum räumlichen Hören in der Schwerelosigkeit – und einen Österreicher ins Weltall zu bringen. Am 2. Oktober 1991 flogen mit dem sowjetischen Sojus-Raumschiff 15 österreichische Experimente und der Kosmonaut Franz Viehböck zur Raumstation MIR. Viehböck, immer noch der einzige Österreicher im Weltraum, wurde mit diesem Flug zum Superstar – und zur Romanfigur. Martin Amanshauser schickt in seinem Roman „Alles klappt nie“ (2004), der im Jahr 2020 spielt, den 60-jährigen „Viehböck“ wieder ins All. Als Einziger noch mit der sowjetischen Technik vertraut, soll er einen alten Satelliten wieder unter Kontrolle bringen …
Der echte Viehböck arbeitete nach seinem Weltraumflug einige Jahre im Management des US-Raumfahrtkonzerns Rockwell, das später zur Raumfahrtsparte von Boeing wurde. 2002 wechselte er in den Vorstand der Berndorf AG, mittlerweile ist er CEO. Seine Erfahrung im Weltall helfe bei seinem Job als Topmanager, erzählt Franz Viehböck: „Bei einem Raumflug sieht man, wie sich Menschen unter Extrembelastungen verändern, auch wie man sich selbst verändert. Vor allem für das Arbeiten im Team und die Führung von Teams habe ich dabei viel gelernt.“ Eine Rückkehr ins All könne sich Franz Viehböck vorstellen. Auch zum Mars, der derzeit wegen der erfolgreichen Mission des Rovers Perseverance in aller Munde ist? „Ja, es würde mich reizen“, sagt er ohne Zögern. Allerdings: „Der Flug müsste in den nächsten Monaten oder Jahren sein und das wird sich ziemlich sicher nicht ausgehen.“