Miriam Kutrowatz
Miriam Kutrowatz
im schau-Gespräch

Miriam Kutrowatz: 100 Prozent Oper, null Prozent Diva

Für Miriam Kutrowatz ist das Leben ein Wunschkonzert: Die Wiener Sopranistin mit burgenländischen Wurzeln hat einen sensationellen Einstieg in die Opernszene hingelegt. Im schau-Interview spricht die sympathische 24-Jährige über Herausforderungen und Pläne.

Mit vier bekam sie ihre erste Geige, mit elf war sie regelmäßig im Theater an der Wien zu Gast und mit zarten 16 Jahren entschied sie sich dazu, Sängerin zu werden: Musik ist seit jeher ein fixer Bestandteil im ­Leben von Miriam Kutrowatz. Das ist nicht zuletzt ihren Eltern zu verdanken. Ihr Vater, Pianist und Komponist Eduard Kutrowatz, leitet mit seinem Bruder das Liszt Festival Raiding. Ihre Mutter Eva Reicher-Kutrowatz singt im „Arnold Schoen­berg Chor“. Im Gespräch erzählt der Nachwuchsstern am Opernhimmel unter anderem, wie sie das beeinflusst hat.

schau: Das Klischee, dass klassische Musik etwas für Oldies ist, hält sich hartnäckig. Wie hast du dich in dieses Genre verliebt?

Miriam Kutrowatz: Ich denke, dass das Umfeld dabei eine sehr große Rolle gespielt hat. Durch mein Elternhaus hatte ich von klein auf einen Bezug zur Klassik und bin in einer Art Bubble aufgewachsen. Als Jugendliche habe ich ein Gymnasium mit musikalischem Schwerpunkt besucht und meine beste Freundin und ich haben in unserer Freizeit total gerne Bach gehört. Das war ganz normal für uns.

Gab es damals schon Idole?

Mit 15 oder 16 habe ich begonnen mich für Operngesang zu interessieren und mich auf YouTube durch viele hohe Sopran-Arien gehört, zum Beispiel die berüchtigte „Königin der Nacht“ gesungen von Diana Damrau. Später habe ich die französische Sopranistin Sabine Devieilhe entdeckt, die sich traut, fein und fast volksmusikantisch zu singen und die mich sehr begeistert hat. Im Theater an der Wien wiederum hat mich Marlis Petersen immer sehr beeindruckt, weil sie eine sensationelle Singschauspielerin ist. Und mit Edith Lienbacher habe ich eine unglaublich tolle Lehrerin gefunden, die ebenfalls zu einem ultimativen Vorbild geworden ist.

Auch zu Hause dürfte es nicht an Vorbildern gefehlt haben. Inwieweit hat dir das auf deinem Weg geholfen?

Zum einen habe ich zu Hause erlebt, dass Musik ein ganz normaler Beruf ist. Viele wissen ja nicht einmal, dass man das studieren kann. Zum anderen hat mir mein Vater vermittelt, dass es einfach toll ist, auf der Bühne zu stehen. Er ist kein nervöser Musiker und genießt Konzerte – das hat er mir weitergegeben. Natürlich bin ich vor einem Auftritt ein bisschen aufgeregt, aber viel mehr freue ich mich, dem Publikum etwas schenken und übermitteln zu können, andere zu berühren. Bei meiner Mutter habe ich zudem schon früh beobachten können, wie der teilweise sehr stressige Alltag ­einer Künstlerin abläuft – von der Probe bis zur Vorstellung. Ich bin also in das Musikerleben hineingewachsen. Und wenn ich heute Fragen habe, stehen mir meine Eltern immer beratend zur Seite.

Für alle, die keine Einblicke, aber große musikalische Ambitionen haben: Wie viel ist Können, wie viel ist Glück?

In erster Linie ist sehr viel Disziplin nötig, um Opernsängerin zu werden. Das Studium, die Stimmbildung, die unzähligen Übungsstunden. Aber selbst mit außergewöhnlichem Können ist es besonders am Anfang schwierig, in der Szene Fuß zu fassen. Man braucht ein bisschen Glück. Man muss zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein, um von der richtigen Person gehört oder entdeckt zu werden.

Seit rund einem Jahr bist du nun Mitglied im Jungen Ensemble des Theaters an der Wien (JET). Wie war es für dich, gleich nach deinem Studienabschluss an der Universität für Musik und darstellende Kunst ein fixes Engagement zu bekommen?

Ich habe schon ein Jahr zuvor, während des Studiums, im Theater an der Wien vorgesungen. Der Casting Director hat mir damals gesagt, ich soll nächstes Jahr wiederkommen – das habe ich dann auch gemacht. Die Zusage kam zwei Wochen vor dem ersten Corona-Lockdown und ich habe mich sehr gefreut. Auch, weil ich das Haus durch meine Mutter seit meinem elften Lebensjahr kenne.

Du hast es gerade angesprochen: Es gab bisher mehrere Lockdowns, die auch die Opernszene hart getroffen haben. Welche Erfahrungen hast du in dieser Zeit als Sopranistin im Theater an der Wien gemacht?

Vor Beginn meines Engagements habe ich die Situation völlig falsch eingeschätzt und mir gedacht, dass es nach ein paar Monaten wieder normal weitergeht. Die erste Produktion – Antonio Vivaldis „Bajazet“ – konnten wir noch komplett durchspielen, aber dann gab es immer wieder lange, coronabedingte Pausen. Die Oper „Giasone“ von Francesco Cavalli hat es überhaupt nicht auf die Bühne geschafft, obwohl wir wochenlang dafür geprobt haben. Das war bitter. Trotzdem war das Jahr dank des umfassenden, auch stressigen Probebetriebs ein sehr lehrreiches.

Und wie sehen deine weiteren Pläne aus?

Ich bin jetzt noch ein zweites Jahr Teil des Jungen Ensembles im Theater an der Wien. Zusätzlich werde ich von der Agentur IMG betreut, die mir Vorsingen verschafft oder meine Aufnahmen an potenzielle Kunden schickt. Das ist üblich in diesem Job, denn als Einzelkünstlerin kann man normalerweise nicht einfach zu beliebigen Castings gehen. Außerdem ist gute, jahrelange Vorausplanung sehr wichtig und das ist alleine kaum zu bewältigen. Meine Agentin hat für die nächsten drei bis vier Jahre schon einige Termine für mich fixiert. Es läuft also gut, auch wenn Corona wie ein Damoklesschwert über der Branche schwebt. Und selbst wenn einiges vielleicht wieder abgesagt werden muss, bin ich froh, durch meine bisherigen Erfahrungen einen Fuß in der Türe zu haben.

Du hast nicht nur einen Fuß in der Türe, sondern wirst sogar als Nachwuchshoffnung der Opernwelt gehandelt. Was wäre deine Traumrolle?

Pamina aus der „Zauberflöte“ und Susanna aus „Le Nozze di Figaro“ – einfach, weil mir Mozart irrsinnig Spaß macht. Sehr gerne würde ich aber auch Poppea aus Monteverdis „L’incoronazione di Poppea“ spielen. Ich finde die Rolle faszinierend, weil es selten ist, dass eine weibliche Hauptfigur so selbstbestimmt und aggressiv agiert, ohne zum Schluss zu sterben oder wahnsinnig zu werden (lacht). Das ist ja meistens der Ausgang, wenn eine Oper nach einer Frau benannt ist. Auch die Musik in „L’incoronazione di Poppea“ mit ihren jazzigen und modernen Elementen ist unglaublich schön.

Auch wenn die Kulturbranche teilweise immer noch männer­dominiert ist, hat die „Me too“-Bewegung viel bewirkt. Wie ist das im Klassik-Bereich?

Ich kann nur von den Häusern sprechen, bei denen ich bisher gearbeitet habe. Das Bewusstsein für die Thematik ist auf jeden Fall da. Die jungen Regisseure, mit denen ich zusammengearbeitet habe, fragen vor Körperkontakt nach – zum Beispiel: „Ich möchte dir die Szene zeigen. Darf ich dich an der Schulter angreifen?“ Außerdem gibt es vor dem Probenstart Meetings, in denen alle Teilnehmer darum gebeten werden, Bescheid zu geben, wenn sie sich unwohl fühlen.

Im Sommer warst du sehr oft auf der Bühne zu sehen. Wie sorgst du für Ausgleich in einer stressigen Spielsaison?

Ich fahre gerne mit dem Rad und versuche regelmäßig Yoga zu machen. Wenn ich einmal einen ganzen Tag frei habe, bemühe ich mich, nicht zu singen und mich zu entspannen, zum Beispiel im Grünen. Es ist sehr wichtig, dass die Stimmbänder auch mal pausieren dürfen.

Ist das Burgenland ein Ort der Entspannung für dich?

Auf jeden Fall. Ich wohne zwar in Wien, aber meine Oma, meine Cousine und mein Cousin wohnen in Rohrbach, wo auch mein Vater geboren ist. Am Wochenende bin ich in einer Stunde dort und kann mich am Badeteich oder bei Oma im Garten erholen, das ist super.

Vielen Dank für das Gespräch.

Neugierig? Miriam auf der Bühne

  • Orphée et Eurydice in der Wiener Kammeroper, 2.–19. Oktober
  • Peter Grimes im Theater an der Wien, 16.–25. Oktober
  • Der Waffenschmied im Theater an der Wien, 21. Oktober
  • Thérèse Raquin in der Wiener Kammeroper, 6. Dezember – 20. Jänner
  • Der Fall Straus in der Wiener Kammeroper, 30./31. Dezember
  • Il barbiere di Siviglia in der Wiener Kammeroper, 8.–31. März
  • Don Giovanni Last minute in der Wiener Kammeroper, 31. März
  • Summertime – The end in der Wiener Kammeroper, 21. Juni
  • Die Schöpfung im Wiener Konzerthaus, 26. Juni

Infos zu allen Vorstellungen

www.theater-wien.at
www.konzerthaus.at

Erfolge und Engagements

Miriam Kutrowatz hat ihren Bachelor bei Edith Lienbacher an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien gemacht. Dort setzt sie derzeit ihr Masterstudium bei Florian Boesch fort. Die junge Wienerin ist mehrfache Preisträgerin beim Internationalen Cesti-Gesangswettbewerb für Barockoper 2019 und Semifinalistin beim Glyndebourne Opera-Cup 2020. Für Publikum sang sie unter anderem schon bei der Styriarte, bei den Salzburger Festspielen, beim Festivalsommer „Opera“, in der Wiener Kammeroper, im Wiener Konzerthaus, im Musikverein Wien und im Schlosstheater Schönbrunn. Die Stimme der
Sopranistin wird oft als klar und dennoch samtweich beschrieben.

www.miriamkutrowatz.com