Landeshauptmann Hans Peter Doskozil: „Wir gehen gemeinsam den richtigen Weg“
Nicht nur Wien ist anders: Landeshauptmann Hans Peter Doskozil spricht im schau-Interview über die neue Vorreiterrolle des Burgenlandes, das 600 Millionen Euro schwere Kraftpaket und politische Diskussionen am Rande der Schmerzgrenze.
schau: Nach dem Motto „Alle ziehen an einem Strang“ präsentiert sich das Burgenland bei den Öffnungsschritten sehr geeint. Ist das das Erfolgsgeheimnis in der Corona-Krise?
Hans Peter Doskozil: Ja natürlich, das ist nicht nur in der Krise das Erfolgsgeheimnis des Burgenlandes, sondern generell in den vergangenen 100 Jahren. Es geht darum, gesellschaftlich zusammenzuhalten und gemeinsam Projekte umzusetzen. Ich glaube, das ist auch die Erwartungshaltung an die Politik im Burgenland – das Gemeinsame in den Vordergrund zu stellen.
Im April haben Sie den Lockdown als erstes östliches Bundesland beendet. Wie fiel die Entscheidung für diesen Schritt?
Hans Peter Doskozil: Es ist wichtig, dass man als Bundesland ein gewisses Selbstbewusstsein hat. Das war in der 100-jährigen Geschichte den Umständen geschuldet nicht immer der Fall, aber mittlerweile hat man sich in vielen Bereichen eine Vorreiterrolle erarbeitet. Genau so war es auch im April. Wir haben die Lage genau beurteilt und wussten, was wir machen. Natürlich gab es wie bei allem im Leben ein gewisses Restrisiko, aber Gott sei Dank ist alles gut gegangen. Und gut gegangen ist es auch deshalb, weil die Bevölkerung an einem Strang gezogen hat.
Nicht nur die Maßnahmen werden mitgetragen, auch bei der Impfung gibt es eine hohe Bereitschaft. Wie schafft es das Burgenland, die Bevölkerung so gut zu mobilisieren?
Hans Peter Doskozil: Das liegt sicher an der Kleinteiligkeit des Bundeslandes, aber auch an der gelebten Nähe der Politik zur Bevölkerung. Unser großer Vorteil ist, dass die burgenländische Politik nicht in anderen Sphären schwebt, sondern die Probleme der Bevölkerung in die Arbeit einfließen lässt. Das gelingt nicht immer, aber besonders bei den Öffnungen gilt es, die Dinge mit Hausverstand zu regeln und so Verständnis bei der Bevölkerung zu erlangen. Diesbezüglich haben wir aus meiner Sicht die richtige Entscheidung getroffen. Wir gehen gemeinsam den richtigen Weg.
Kürzlich wurde das Burgenland von der Corona-Ampelkommission von Rot auf Orange geschaltet. Welche Ampelfarbe würden Sie Ihrem Bundesland in Sachen wirtschaftlicher Stabilität geben?
Hans Peter Doskozil: Wie sich die Wirtschaft entwickeln wird, hängt unter anderem davon ab, was mit den Stundungen passiert. Derzeit gibt es bei den Betrieben aufgrund der Zahlungsaufschübe ja kaum Konkurse. Nach dem Aufschwung, der durch die Öffnungen erwartet wird, so mir nichts dir nichts die Stundungen fällig zu stellen, wird sicher nicht gehen. Da wird es Maßnahmen geben müssen, um die Unternehmen über diese Phase zu retten. Wir sind die ersten Schritte schon gegangen – zum Beispiel mit einem breiten Spektrum an Investitionen im Tourismus oder den Möglichkeiten des Beteiligungsfonds.
Die SPÖ-Landesregierung hat das 600 Millionen Euro schwere Kraftpaket mit 56 Maßnahmen präsentiert. Wo liegen für Sie die Schwerpunkte?
Hans Peter Doskozil: Ganz wichtig ist die Ausrichtung der Energie Burgenland hin zu einem modernen Green-Tech-Unternehmen. Hier sollen neue Ideen umgesetzt werden, vielleicht in Bezug auf regionale Energiegemeinschaften rund um Photovoltaik. Parallel zu diesem Denkansatz werden in den kommenden fünf Jahren zwei Milliarden Euro in den Ausbau von Netzen, Windkraft und Photovoltaik investiert. Für das Burgenland bedeutet das aus meiner Sicht eine Energiewende. Ein weiterer wichtiger Punkt sind Beteiligungs- und Unterstützungsmodelle, die dafür Sorge tragen, dass sich der Unternehmer im Burgenland wohlfühlt.
Vieles ist schon im Budget verankert, aber durch das Paket kommt es zu einer Neuverschuldung über 100 Millionen Euro. Wie wird man das auf Sicht gesehen stemmen können?
Hans Peter Doskozil: Wir haben zum Glück eine Finanzlandschaft, die das in Zeiten der Krise mit einem sehr niedrigen Zinsniveau ermöglicht. Für Veranlagungen seitens des Landes zahlen wir derzeit bereits Negativzinsen. Zudem hat die öffentliche Hand die Möglichkeit, sich mit endfälligen Krediten zu finanzieren. Bei einer endfälligen Finanzierung kommt natürlich der Vorteil zum Tragen, dass der Kredit durch die jährliche Indexanpassung am Ende des Tages weniger an Substanz kostet. Diese beiden Elemente spielen uns jetzt in die Hand, um diese Investitionsoffensive durchzuführen. Und dass unsere -Investitionen positive Effekte auf die gesamte Wirtschaft haben, sieht man schon jetzt ganz deutlich – zum Beispiel in der Baubranche.
Wie tragen die anderen Parteien das Paket mit?
Hans Peter Doskozil: Das ist unterschiedlich. Mit der FPÖ haben wir eine gute Gesprächsbasis. Ähnlich sieht es mit den Grünen in Wien aus, vor allem im Verkehrsbereich wegen des 1-2-3-Tickets. Mit der burgenländischen ÖVP tun wir uns aufgrund der radikalen Oppositionspolitik derzeit leider ein bisschen schwer. Ich sehe es nicht ein, dass manche Personen bei Landtagssitzungen sehr untergriffig und auch persönlich werden, um dann höchstwahrscheinlich drei Stunden später ein konstruktives Gespräch zu führen. Da passt der Stil einfach nicht, so offen muss man sein. Natürlich erschwert das die Zusammenarbeit, zum Beispiel wenn es um die strukturellen Entlastungen für die Gemeinden geht, wo wir auch die ÖVP brauchen.
Auch innerparteilich gibt es Diskussionen. Wie sehr nimmt Sie das persönlich mit?
Hans Peter Doskozil: Bis zu einem gewissen Grad sind Diskussionen die Würze in der Politik und für mich überhaupt kein Problem. Teilweise wird das natürlich schon überstrapaziert – aber wenn man in die Politik geht und Auseinandersetzungen scheut, ist man fehl am Platz.
Ihnen wird ein kantiger Führungsstil mit Eigeninitiative nachgesagt. Würden Sie dem zustimmen?
Hans Peter Doskozil: Wenn es um Veränderungen geht, ist die Politik meiner Erfahrung nach immer sehr dazu geneigt, lange in Arbeitsgruppen darüber zu diskutieren und endlose Schleifen zu drehen. Das versuche ich natürlich zu verhindern und lege ein anderes Tempo an den Tag. Dass da höchstwahrscheinlich nicht immer jeder glücklich ist, verstehe ich – aber aus meiner Sicht muss man 120 Prozent fordern, um 80 Prozent zu erreichen.
Noch ein kurzer Ausblick auf den Sommer: Was erwarten Sie sich für Kultur und Tourismus?
Hans Peter Doskozil: Wenn sich die Situation weiterhin so positiv entwickelt, gehe ich davon aus, dass die Beschränkungen mit 1. Juli erneut gelockert werden. Das betrifft sowohl die Sperrstunde als auch die Kapazitätsgrenzen.
Vielen Dank für das Gespräch.