Karl J. Reiter zur Corona-Krise: „Damit konnte keiner rechnen“
Trotz jahrzehntelanger Erfahrung in der Hotellerie wurde auch Vorzeigeunternehmer Karl J. Reiter von den Auswirkungen der Corona-Krise kalt erwischt: „Ich könnte weinen“, sagt er uns, als wir durchs leere Reserve in Bad Tatzmannsdorf schreiten. Doch gerade jetzt eröffnen sich auch Chancen, denn seiner Meinung nach muss sich im Tourismus einiges ändern.
Es ist ein Stück heile Welt, die Karl Reiter und seine Ehefrau Nikola in Bad Tatzmannsdorf geschaffen haben. Pferde, Rinder, Hühner, Schafe, Ziegen und Wasserbüffel grasen auf den weitläufigen Wiesen ihres 125 Hektar großen Reserves, in den Teichen tummeln sich Karpfen, Schwäne und Enten. „Die Tiere müssen natürlich weiter versorgt und betreut, die Anlagen bewirtschaftet werden – auch wenn wir geschlossen haben“, sagt Karl J. Reiter und blickt zu den beiden Hotels inmitten des Areals, die seit Anfang November kein Gast mehr von innen gesehen hat. „Wir waren auf vieles vorbereitet, aber nicht auf das. Diese Ungewissheit macht mürbe. Wir haben immer noch keinerlei Perspektive.“
Investieren statt sparen
Gleichzeitig ist der 72-jährige Gast- und Landwirt mit der blonden Mähne froh, dass er bisher vergleichsweise gut durch die Corona-Krise gekommen ist: „Wir waren einer der wenigen Betriebe, die nicht zur Bank mussten. Unsere 350 Mitarbeiter sind auf Abruf bereit. Wir könnten schon morgen wieder aufsperren.“ Bis es so weit ist, lautet die Devise investieren statt sparen. Deshalb fließen in den kommenden zwei Jahren zehn Millionen Euro in den Umbau des Finest Family Hotels. In einem Zubau des Erdgeschoßes soll es künftig eine Bäckerei und eine Nudelfabrik geben, die Einblicke in die hauseigene Herstellung ermöglichen. Auch der Saunabereich wird erneuert und bekommt einen Yin-Yang-Pool (kalt-warm).
Verzögerungen durch die Krise
Im zweiten Hotel des Reserves, dem Reiters Reserve Supreme, sind 40 Suiten statt den bisher 100 Zimmern geplant. Einfach gestaltet sich die Umsetzung der Bauprojekte allerdings nicht: „Behördliche Genehmigungen lassen aufgrund der momentanen Situation auf sich warten und viele Firmen arbeiten gar nicht. Ich habe das Gefühl, die Pandemie hat die Bequemlichkeit mancher Menschen noch weiter verstärkt.“
Von den Bergen in die Hügel
Von Schwierigkeiten hat sich der gebürtige Tiroler aber noch nie entmutigen lassen, Durchhaltevermögen war bei ihm schon von klein auf gefragt. Seine Eltern führten den Gasthof Zur Post in Achenkirch – die Mutter kochte, die Kinder halfen mit. „Eine unserer Spezialitäten war Forelle, die wir immer frisch zubereitet haben. Manche Gäste haben das nicht wertgeschätzt und sich stattdessen über die Zubereitungsdauer beschwert. Das hat mich damals so gekränkt, dass ich von einer anderen Art der Hotellerie geträumt habe – von einer Hotellerie mit Würde“, erzählt Reiter. Auslandsaufenthalte in England und Frankreich sorgten für weitere Aha-Momente und neue Konzepte. Nach seiner Rückkehr in die Heimat brachte er den Wellnesshotel-Trend nach Österreich und sorgte für Aufsehen, als er als einer der Ersten mit der „Adults Only“-Philosophie an den Start ging. Auf den Geschmack der Exklusivität, wie sie heute im Reiters Reserve gelebt wird, kam er in England, als er für den Fußballclub Arsenal London tätig war.
„An jedem Spieltag standen um die 20 Rolls-Royce vor dem Eingang. Ich habe den Gästen Tea and Biscuits im VIP-Bereich serviert. Da habe ich zum ersten Mal gesehen, was so einen Members-Only-Club ausmacht.“ Geld sei aber nicht unbedingt der ausschlaggebende Faktor, wie Reiter betont. „Exklusivität hat für mich etwas mit Anstand und Benehmen zu tun, nicht mit elitärem Gehabe.“ Diese Einstellung spiegelt sich auch auf den 9- und 18-Loch-Golfplätzen mit Österreichs größter Driving Range im Reiters Reserve wider. Hier können Kinder ab drei Jahren an ihrem Schwung arbeiten, gleichzeitig ist die Anlage auch die Homebase von Profigolfer Bernd Wiesberger. „Ich denke, dass der Sport auf jeden Fall weiteres Wachstumspotenzial hat – hin zu einem Breitensport mit Stil. Deshalb werden wir unseren Golfclub auch weiter nach oben heben“, verrät der Wahlburgenländer. Geplant sind unter anderem ein eigener Meeting-Point für Mitarbeiter und eine neue Garage für E-Trolleys.
Mut zum „Antiprogramm“
Ihren großen Erfolg im Südburgenland führen die Reiters aber nicht nur auf Exklusivität und die Verknüpfung mit dem Golfsport zurück – immerhin wird dieser durch die Hotels finanziert und nicht umgekehrt. „Mir geht es hier um einen sinnvollen Lebensstil, darum, kein Unrecht zu tun und den richtigen Weg zu gehen. Umwelt und Arbeitskräfte werden vielerorts ausgebeutet, ich wollte schon immer das Antiprogramm dazu machen.“
Hotelbusiness mit gutem Karma
Was das bedeutet? Im Reserve wird ökologische Landwirtschaft betrieben, in der Gastwirtschaft kommen großteils regionale, saisonale Produkte aus dem eigenen Anbau zum Einsatz. Den Mitarbeitern stehen E-Autos, betriebseigene Wohnungen und ein Kindergarten zur Verfügung, Gäste werden auf Wunsch mit dem Tesla von den öffentlichen Verkehrsmitteln abgeholt. Eine Solarblume hilft beim Antrieb der Golfcarts, die Golfanlage wird mit gesammeltem Regenwasser bewässert. Auch im Bereich Tierhaltung und Artenschutz ist gutes Karma bedeutend, wie Karl Reiter es beschreibt. Seine Rinder bekommen biologisches Futter und sind bei der Schlachtung fast doppelt so alt wie jene aus konventioneller Tierhaltung. Die Schlachtung findet direkt beim Stall statt, um Stress und Angst zu vermeiden. Mit der Haltung von vielen bedrohten Nutztierrassen wie zum Beispiel weißen Barockeseln trägt der Hotelier zum Schutz dieser bei.
Innovation und Unabhängigkeit
Reiter ist sich sicher: Das Thema Nachhaltigkeit wird für Urlauber immer wichtiger und seine Gäste wissen sein Engagement zu schätzen. „Mit unserem Gesamtkonzept, das wir seit Jahrzehnten leben und immer weiter ausbauen, unterscheiden wir uns ganz klar von den Mitbewerbern.“ Für die hat der Visionär auch gleich einen Tipp parat: „Der Spruch ‚Wachsen oder weichen‘ ist meiner Meinung nach völliger Blödsinn. Es geht in unserer Branche vor allem darum, innovativ zu sein!“ Abhängigkeit von der Industrie oder internationalen Unternehmen kann er ebenfalls nichts abgewinnen. Wer einen Aufenthalt im Reserve buchen will, muss das direkt über die Website tun – Gruppenreisen in Kooperation mit diversen Reiseveranstaltern kamen für Reiter nie in Frage. Gleiches gilt in der Landwirtschaft: „Viele Bauern haben sich auf die Industrie und den Handel verlassen. Aber wenn du nur ein Rohstofflieferant bist, hast du meistens schon verloren“, meint Reiter. Besonders im Südburgenland sieht er großes Potenzial für kleinere, nachhaltige und innovative Betriebe: „Es geht um Veredelung, Markenbildung und Selbstvermarktung.“
100-seitiges Sicherheitskonzept
Doch auch wenn die Reiters alles richtig gemacht haben: Bis auf den Golfplatz muss derzeit alles geschlossen bleiben. Daran ändern auch das mehr als 100-seitige Corona-Sicherheitskonzept und regelmäßige Testungen beim gesamten Personal nichts. Ob man da nicht manchmal am liebsten das Handtuch werfen würde? „Wir lassen uns nicht unterkriegen. Jede Krise eröffnet neue Chancen – und die werden wir nutzen.“
Zwei Wellnesshotels, Golf und Lipizzaner
Herzstück des Reiters Reserve in Bad Tatzmannsdorf sind zwei Wellnesshotels: das Supreme exklusiv für Erwachsene sowie das Finest Family. Für die Gäste gibt es auf dem 125 Hektar großen Areal einiges zu entdecken, Highlights sind unter anderem die 27 Holes für Golfer und ein Lipizzanergestüt.