Comedian Gernot Kulis:
Comedian Gernot Kulis:
Lachen trotz Krise

Gernot Kulis im Gespräch: “Lachen ist der Sinn des Lebens”

Als Karl Schmähhammer, Rudi Warnschober und Heinz Spassmann brachte uns Gernot Kulis auch im Ausnahmejahr 2020 zum Lachen. Heuer geht der Comedian mit seinem Bühnen­programm „Best of 20 Jahre Ö3-Callboy“ auf humorvolle Zeitreise.

Seine Realität mag, das nehmen wir einfach mal an, nicht lustiger sein als unsere, aber er hat sich dazu entschieden, sie unter einem humorvollen Vergrößerungsglas zu betrachten – und er tut alles dafür, dass wir das auch tun: Mit seinen Minister-Parodien Schmähhammer, Warnschober und Spassmann sowie seinen mittlerweile legendären Ö3- Radioformaten „Ö3-Callboy“ und „Professor Kaiser“ brachte uns Comedian Gernot Kulis sogar im Ausnahmejahr 2020 mit verlässlicher Regelmäßigkeit zum Lachen und Reflektieren. Der 44-jährige Kärntner hat die Gabe, im (schmerzhaft bekannten) Normalen das Außergewöhnliche zu sehen, im Originellen das Alltägliche und im Absurden das Noch-Absurdere. Zwischen all den Schenkelklopfern und Fremdschäm-Momenten präsentiert uns Kulis die Eigenheiten des Menschseins.

schau: 2020 haben Sie Ihrem ohnehin schon sehr umfang­reichen Figuren-Portfolio auf Ö3 drei neue Parodien hinzugefügt: Minister Schmähhammer, Minister Warnschober und Minister Spassmann.

Gernot Kulis: Am herausforderndsten ist Minister Spassmann alias Minister Faßmann. Schon alleine, um ihm ähnlich zu sehen, sitze ich mehr als eine Stunde in der Maske. Vor jeder Parodie muss ich mir zudem Bartstoppeln wachsen lassen! (Lacht) Auch, was die Sprechart betrifft, hat sich für mich der Spassmann als am schwierigsten herausgestellt. Die Stimmlage selbst finde ich bei meinen Figuren immer sehr schnell heraus, denn ich höre bei jedem Menschen, ob die Stimme zum Beispiel aus dem Kehlkopf kommt oder ob sie eher am Gaumen angesiedelt ist. Der Spassmann ist also ein parodistisches Gesamtkunstwerk! (Lacht) Am meisten Spaß macht mir der Schmähhammer, denn das Schöne am „Original“ ist, dass er so wahnsinnig ernst ist. Wenn man etwas sehr ernst verkauft, der Inhalt dabei aber sehr schräg ist – meine Minister arbeiten immerhin im „Bundesministerium für Irreres“! –, ergibt das eine enorme Groteske.

Wie gehen Sie generell an eine Parodie heran? 

Gernot Kulis: Damit eine Person für mich als ­Parodie überhaupt infrage kommt, muss sowohl die Präsenz als auch die Fallhöhe hoch genug sein. Dann muss man sich entscheiden: Macht man eine hochprofessionelle Parodie, die sich stark an das Aussehen, die Stimme und die Gestik dieser Person anlehnt, oder macht man doch lieber eine schmutzige und schnell aufgenommene Parodie, die sich mehr Freiheiten herausnimmt? Mein zweiter Zugang zu „meinen“ Ministern war die jeweilige Stimme, denn die Leute lieben es, wenn man eine Person stimmlich täuschend echt imitieren kann. Man forciert hier natürlich die Eigenheiten, die einem im Laufe des Arbeitsprozesses auffallen, beispielsweise Pausen oder Sprachduktus. Und plötzlich wird man eins mit der Figur und immer mehr Eigenheiten der parodierten Person kommen zum ­Vorschein. Denn Parodie ist viel mehr als Stimmenimitation! Im Laufe ­meiner Karriere habe ich gelernt: Parodie ist eine Kunstform.

Darf man über eine Krise Witze machen? 

Gernot Kulis: Wenn man aufhört zu lachen, wo ist dann der Sinn des Lebens? ­Meiner ist, unter moralischen und ethischen Voraussetzungen so viel Spaß wie möglich zu haben. Von Tag zu Tag. Ich werde nie der Wutkünstler sein, dafür ist mir mein Zeitfenster auf der Erde zu schade. Zudem ist es durchaus berechtigt, dass man die aktuell sehr schräge Zeit satirisch aufbereitet. Ich vergrößere unsere Situation mit einer Lupe um das Zehnfache, sprich: Ich stelle sie übertrieben dar. Und in ­jeder guten Übertreibung steckt ein – gar nicht so kleines – Körnchen Wahrheit. Wichtig ist mir aber, dass meine ­Parodien keine wertende Gesellschaftskritik darstellen. Meine persönliche Meinung bleibt hier ­außen vor.

Haben Sie jemals Sorge, mit Ihrer Parodie die „echte“ Person zu verärgern? 

Gernot Kulis: Nein. Wenn man Humor hat, muss man auch über sich selbst lachen können. Ich hatte etliche Bühnenpremieren, bei denen die parodierten Personen im Publikum gesessen sind und sich darüber köstlich amüsiert haben. Es ist ja auch eine Ehre, überhaupt parodiert zu werden! ­Zudem versuche ich stets, dass meine Parodien liebevoll und nicht boshaft sind.

Themenwechsel: 2021 feiern Sie Ihr 20. Ö3-Callboy-Jubiläum. Können Sie sich noch an die Anfänge erinnern? 

Gernot Kulis: Ich habe die Rubrik von meiner Zeit bei Antenne Steiermark mit zu Ö3 gebracht, wo sie noch „Die Nervensäge im Rohr“ hieß. Zu Beginn hatte ich fast jeden Tag einen „Callboy“-Anruf, was wahnsinnig viel Arbeit war! Denn der „Callboy“ ist sehr aufwendig zu produzieren, beinahe vergleichbar mit einer ­versteckten Kamera. Es gibt verschiedene Kriterien, die für einen erfolgreichen Anruf aufgehen ­müssen: Der Anzurufende muss abheben, auf das Gespräch einsteigen, es muss lustig werden, die Handlung muss vorangetrieben werden und es muss eine gute Auflösung geben. Das Konzept ist aber von Beginn an gut aufgegangen. 

Was gefällt Ihnen am „Ö3-Callboy“ so sehr? 

Gernot Kulis: Das Schöne am „Callboy“ ist für mich, dass jeder einzelne Anruf mit einer Pop-Nummer vergleichbar ist: Es gibt eine Handlung, einen Höhepunkt, einen Schluss – und alle amüsieren sich beim Anhören. Ich beleuchte, ähnlich wie die Nachrichten, politische und gesellschaftliche Themen – nur eben aus einem anderen Blickwinkel. Am meisten lebt die Rubrik natürlich von den realen Reaktionen der Angerufenen, die meist einfach toll sind. Ich liebe Realsatire, denn die ist ungekünstelt. Um dieses Reale aber aufrechtzuerhalten, muss ich bei einem „Callboy“-Anruf sehr, sehr aufmerksam sein. Eine falsche oder zu spät eingebrachte Pointe und du bist draußen aus dem Ganzen.

Ist es aufgrund Ihrer Bekanntheit im Laufe der Zeit schwieriger geworden, Schmähanrufe durchzuführen? 

Gernot Kulis: Bei circa jedem fünften Anruf werde ich mittlerweile erkannt. Vor vielen Jahren wusste mein Gegenüber sogar bereits nach zwei Sekunden, wer ich bin. (Lacht) Die Anrufe sind aber auch deshalb herausfordernder geworden, weil sich der Umgang mit dem Telefon in den vergangenen Jahren grundlegend verändert hat. Früher hat man am Handy den Anruf eines unbekannten Teilnehmers angenommen, weil man sich gefreut hat, dass einen an diesem neuen ­modernen Gerät überhaupt wer ­anruft. Heute lässt man so einen Anrufer meist auf die Mailbox sprechen, recherchiert die Nummer in Google oder ignoriert ihn ganz. Eine Zeit lang habe ich deshalb vor allem ­Festnetznummern angerufen. Im ­Telefonbuch kann ich anhand der Namen ganz gut erkennen, wer noch ein Festnetz hat: Ein Erwin zum Beispiel hat in acht von zehn Fällen eines! (Lacht) Manchmal rufe ich auch gerne Behörden an, denn dort wird immer abgehoben. Wenn gar nix funktioniert, ruf ich meistens bei der Polizei an.

Welcher Anruf ist Ihnen am besten in Erinnerung geblieben? 

Gernot Kulis: Da gibt es so einige. Zum Beispiel mein Anruf im Gänsehäufel (Strandbad in Wien; Anm.), bei dem ich Diplomaten ausrufen lassen hab, die nur Russisch verstehen. Das ist schon ein Klassiker, ein Drehbuch hätte nicht besser geschrieben werden können. Auch der Anruf, in dem ich einen Herrn dazu gebracht habe, vor seiner Haustüre orangene Bentleys – die es in ganz Österreich übrigens gar nicht gibt – zu zählen, ist einer meiner Lieblinge. Wenn es sehr absurd wird, fällt es selbst mir schwer, in meiner Rolle zu bleiben und nicht laut loszulachen.

Haben Sie einen Wunschkandidaten für den „Ö3-Callboy“? 

Gernot Kulis: Es ärgert mich, dass ich es nicht bei Donald Trump probiert habe. Ich glaube, den hätte ich sicherlich erreicht. Ich habe damals sogar überlegt, ihn als Kim Jong-un anzurufen. Tatsächlich probiert haben wir es hingegen beim Papst: Ich bin sogar bis in sein Büro gekommen, dann aber nicht zu ihm durchgestellt worden. Das wäre cool gewesen … 

Sie werden 2021 mit Ihrem neuen Bühnenprogramm „Best of 20 Jahre Ö3-Callboy“ auftreten. Was dürfen wir uns erwarten? 

Gernot Kulis: Es wird ein Stand-up-Programm werden und ist wie ein humorvolles zeitgeschichtliches Dokument der vergangenen 20 Jahre. Ich werde über die besten Anrufe, Insider-­Storys, prominente Komplizen, Pannen und noch nie Gehörtes ­erzählen. Highlights mit hoher Pointendichte sind garantiert! Die Premiere hätte bereits im Dezember des vergangenen Jahres stattfinden sollen, aufgrund von Corona mussten wir sie allerdings auf Herbst 2021 verschieben. Bereits im Sommer aber wird es eine Open-Air-Tour geben, Auftakt wird Ende Juni im Theater im Park in Wien sein. COVID-Sicherheitsvorkehrungen sind natürlich gegeben.

Vielen Dank für das Gespräch.