schau-Talk mit Erfolgsautor Thomas Stipsits
Thomas Stipsits lässt Inspektor Sifkovits wieder ermitteln: In seinem zweiten Krimi „Uhudler-Verschwörung“ setzt der Kabarettist wieder auf Altbewährtes. Im Interview spricht er mit schau über seine burgenländische Wahlheimat, Columbo und konkrete Pläne zur Verfilmung seiner Bücher.
Von Hollywood ins Südburgenland: Inspektor Sifkovits geht im Trenchcoat im Uhudler-Land auf Mörderjagd. Und das sehr erfolgreich, sodass Kabarettist und Neo-Autor Thomas Stipsits nach „Kopftuchmafia“ kürzlich seinen zweiten Stinatz-Krimi präsentierte. Was uns dabei erwartet, erzählte uns der 37-Jährige coronabedingt in einem ausführlichen Interview per Video-Konferenz.
schau: Herr Stipsits, das Debüt „Kopftuchmafia“ schoss erfolgsmäßig durch die Decke, nun kommt mit „Die Uhudler-Verschwörung“ der zweite Fall des Inspektor Sifkovits auf den Markt. Was erwartet die Leser?
Thomas Stipsits: Im Grunde wieder ein Regionalkrimi im gewohnten Umfeld. Ich wollte und bin auch nicht der Gefahr erlegen, dass der zweite Roman noch spektakulärer als der erste werden muss. Es ist wieder der bekannte Figurenkosmos dabei: der Pfarrer, die Dorffrauen, die Mama, der Inspektor. Sprich, es bleibt klein und überschaubar.
Never change a winning team, könnte man sagen. „Schiffi“, wie die Hauptfigur liebevoll genannt wird, ermittelt im beigen Trenchcoat – die Hommage bzw. Anlehnung an Columbo ist unübersehbar. Beabsichtigt, weil großer Columbo-Fan?
Thomas Stipsits: Ja, es war immer schon so ein kleiner Traum von mir, einmal eine Figur zu erschaffen, die dem Columbo nicht unähnlich ist. Das ist mir mit den Stinatz-Krimis irgendwie ganz gut gelungen. Ich wollte jemanden, den keiner ernst nimmt, so wie den Columbo. Doch in Wirklichkeit ist gerade dieses Understatement oder dieses nicht ernst genommen werden seine größte Waffe.
Was uns interessiert: Stecken eigentlich Charakterzüge aus dem Familienumfeld in den sonstigen handelnden Personen?
Thomas Stipsits: Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind rein zufällig (lacht). Nein im Ernst, ich wollte worüber schreiben, wo ich Einblick habe. Ich hab die Ferien in der Kindheit praktisch alle in Stinatz verbracht, das heißt, ich kenne mich aus in der Gegend. Und im Dorf, da kriegt man was mit. Also, die Mama vom Inspektor ist schon sehr nah an meiner Oma. Und auch den Pfarrer gibt es wirklich, der ist ein Freund von mir, der wirklich Pfarrer geworden ist. Also es ist schon der Realität entstammend. Die Morde hat es natürlich nicht gegeben …
Abgesehen von tollen Verhörmethoden, trinkfest muss ein Inspektor im Uhudler-Land ja auch sein, oder?
Thomas Stipsits: Ja, wobei mein Inspektor Sifkovits isst lieber, als er trinkt. Er trinkt eigentlich nur Käsepappeltee, ganz selten, wenn er sehr gut drauf ist, gibt es einen Uhudler-Likör.
Thomas Stipsits wird, obwohl in Leoben geboren, als Wahlburgenländer bezeichnet. Würden Sie dem so zustimmen?
Thomas Stipsits: Ja, dadurch dass mein Papa aus Stinatz ist, hab ich mich da immer zugehörig gefühlt. Aber auch in Leoben. Also ich hab eigentlich an zwei Orten Heimatverbundenheit. Das mit Stinatz ist mir eher zufällig am Anfang meiner Kabarettkarriere passiert. Ich hab so drauflos erzählt und man kommt drauf, die Leute haben reflektiert darauf, zum Beispiel mit „Ah, ja, das kenn ich aus dem STS-Lied!“ Und irgendwie ist das über die Jahre dann zu einer Art „Masche“ geworden, die aber nie in der Form geplant war. Ich finde es immer interessant, sich so kleine Ecken auf der Welt rauszusuchen und das Internationale im Regionalen zu suchen.
Es herrscht Landflucht, der öffentliche Verkehr ist mäßig ausgebaut. Was macht den Flair von Stinatz aus? Es gibt ja nicht einmal ein Freibad dort …
Thomas Stipsits: Das ist eine gute Frage. Ich habe darüber auch schon oft mit Lukas Resetarits geredet, der ja aus Stinatz ist. Und er sagt, er weiß es auch nicht. Da muss eine Wasserader oder so was sein (lacht). Es schaut aus wie viele andere burgenländische Straßendörfer.
Ich glaube, die kroatische Volkskultur, die sich über mehrere Jahrhunderte dort gehalten hat, ist schon etwas sehr Spezifisches. Mit keinem negativen Beigeschmack, sondern angenehme Folklore. Die Menschen dort sind auch außergewöhnlich.
Ich erkenne Mentalitätsgleichheiten zwischen griechischen Insulanern und Leuten aus Stinatz. Die Uhren gehen einfach ein bisschen langsamer – und das hat etwas unglaublich Positives. Wenn man sich erden möchte, ist es ein sehr guter Ort dafür.
Ihre Geheimtipps oder Must-sees in Stinatz?
Thomas Stipsits: Wo soll ich anfangen? (Lacht) Es gibt das alte Brauchtum des Eierkratzens – Ostereier wohlgemerkt. Ein Riesenhighlight sind Festivitäten wie burgenländische Hochzeiten. Oder Allerheiligen, das ist wie der Life Ball von Stinatz. Der angenehme Umgang mit dem Brauchtum, das ist etwas Sympathisches.
Was nicht wegzudenken ist, aus Dörfern wie Stinatz, ist der typische Dorftratsch …
Thomas Stipsits: Das ist ja auch schön. Wenn die älteren Damen, meistens Witwen, auf den Bankerln sitzen, bekommt man einen Einblick in die Vergangenheit, wie das Dorfleben einmal war. Das ist sehr interessant – obwohl viel getratscht wird … Wenn sich in Stinatz-Nord einer die Hand verstaucht, in Stinatz-Süd ist sie bereits amputiert (lacht). Man bekommt die Lebensweisheiten überliefert, teilweise ausgeschmückt. Die Geschichten von früher stimmen natürlich auch nicht immer, aber es hat was.
Stichwort „Tatort“. Im Wiener „Tatort“ an der Seite von Krassnitzer und Neuhauser spielten Sie den beliebten Assistenten Fredo Schimpf. Damit ist jetzt Schluss, hörte man. Warum das Aus?
Thomas Stipsits: Primär hatte es zeitliche Gründe. Ohne jetzt egozentrisch zu sein, sind die Projekte, bei denen ich im Fokus war oder die Hauptfigur bin, mehr geworden. Es war eine supertolle Zeit, ich habe sehr viel lernen dürfen von den beiden „Kameraviechern“. Ich habe gerne meine Rolle gespielt, aber irgendwie war das auserzählt. Und man soll aufhören, wenn es am schönsten ist.
Mehr Zeit für neue, eigene Projekte. Ist eine Verfilmung der Stinatz-Krimis angedacht?
Thomas Stipsits: Ja, das ist schon ein Plan von mir. Ich hab es gemerkt, während dem Schreiben hab ich schon so filmisch gedacht. Dass die Leute meine Bücher kaufen, war dann sicher kein Nachteil, das hat geholfen. Also es gibt positive Signale bzw. Interesse von Produktionsfirmen und anderen. Und das ist eine angenehme Situation. Ich kann mir schon so einen Buch-Film-Buch-Film-Rhythmus vorstellen.
Also auch ein dritter Fall von Inspektor Sifkovtis ist denkbar?
Thomas Stipsits: Absolut, ja. Es gibt auch schon konkrete Ideen. Das Südburgenland gibt meiner Meinung nach viel her, regionalspezifisch. Entscheiden tut es letztendlich dann das Publikum.
Mit Augenzwinkern: Wenn sich die Bücher weiter so gut verkaufen, könnte Stinatz ja mittelfristig zur meistbesuchten Gemeinde im Südburgenland werden …
Thomas Stipsits: Der Bürgermeister würde sich sicher freuen, wenn der Tourismus ein bisschen aufblüht. Man muss nur aufpassen: Im aktuellen Buch hab ich den Mordfall im Nachbarort geschehen lassen, sonst würden wohl viele abgeschreckt werden und sagen: „Was für ein gefährlicher Ort“. Es kommt auch jetzt schon vor, dass Leute mir über soziale Medien Fotos schicken, wenn sie in Stinatz durchfahren oder an der Ortstafel vorbei. Es ist sogar schon vorgekommen, dass jemand meine Oma ausfindig gemacht hat und mir das dann im Kabarett erzählt hat.
Stichwort Kabarett: Derzeit sollten Sie mit „Stinatzer Delikatessen – Quasi Ein Best Of“ solo auf der Bühne stehen. Wie schwer ist die derzeitige Situation für den Kabarettisten, aber auch den Menschen Thomas Stipsits?
Thomas Stipsits: Natürlich ist es nicht leiwand, das muss ich schon sagen. Beim ersten Lockdown hab ich diesen Schnitt von hundert auf null schon irgendwie mögen. Das Familienleben mit zwei kleinen Kindern hat etwas sehr Schönes gehabt. Wir haben beide in den letzten Jahren sehr gut gearbeitet und haben Gott sei Dank keine großen Sorgen gehabt. Für viele andere ist es jetzt schon fast existenzbedrohend. Für junge Kolleginnen und Kollegen ist es ganz, ganz schwer. Da hängt ja sehr viel dran an so einer Show. Ich hoffe, dass das Geld bei den Richtigen endlich bald ankommt.
Gibt es, trotz allem, dennoch ein humorvolles Fazit von 2020?
Thomas Stipsits: Auf jeden Fall! Was prägend in Erinnerung blieb, war, dass man schon zu Mittag manchmal einen Wein trinken konnte … beim Kochen (lacht). Ich glaub, so ist es vielen gegangen.
Zum Schluss noch ein kurzer Ausblick: Das Burgenland feiert 2021 das große 100-Jahr-Jubiläum. Ihre Gedanken dazu?
Thomas Stipsits: Das Burgenland und seine Bewohnerinnen und Bewohner sollten sich ihre Natürlichkeit bewahren. Wenn man im Südburgenland zu einem Heurigen geht oder in einen Weinkeller, ist es noch urig. Nicht gekünstelt. Und das macht das Burgenland so sympathisch. Diese Authentizität darf auf keinen Fall verloren gehen.
Vielen Dank für das Gespräch!