Elisabeth Köstinger über Perspektiven für die Event-Branche
Im Gespräch mit unserem Magazin-Partner “Messe & Event” erzählt Bundesministerin Elisabeth Köstinger von ihren Zukunftsplänen und erklärt, wie der Veranstalter-Schutzschirm der Regierung helfen soll.
Seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie ist die Livemarketing-Industrie an die Grenzen ihrer wirtschaftlichen Möglichkeiten gelangt. Und wir steuern auf einen schweren Winter zu. Mittlerweile gibt es einen Hoffnungsschimmer in Form eines 300-Millionen-Euro-Rettungsschirms, der auch Veranstaltern wieder Planungssicherheit geben soll.
Die neue Verordnung schränkt auch Veranstaltungen wieder stark ein. Offen gesprochen: Müssen wir uns von Live-Events und Live-Erlebnissen endgültig auf längere Zeit verabschieden?
Elisabeth Köstinger: Die Corona-Pandemie hält uns schon seit über sieben Monaten fest im Griff. Tourismus, Gastronomie, Messen, Kongresse und die Veranstaltungsbranche sind die Hauptbetroffenen. Das sehen und spüren wir ganz intensiv. Wir sind relativ gut durch den Sommer gekommen, vor allem, was die Entwicklung der Infektionszahlen betroffen hat.
Seit ein paar Wochen verschärft sich die Lage wieder, wir haben täglich mittlerweile mehrere Tausend Neuinfektionen, das ist sehr besorgniserregend und war auch der Grund, warum wir als Bundesregierung bundesweit einheitliche Maßnahmen beschließen mussten. Vor allem, damit sich die Kontakte auch wieder reduzieren. Das ist natürlich für die Eventbranche ein herber Rückschlag.
Viele haben trotzdem begonnen, Veranstaltungen unter den Auflagen wieder zu organisieren. Wir beobachten zur Zeit die Entwicklung mit sehr großer Sorge. Österreich ist nicht alleine betroffen, wir sehen in ganz Europa und weltweit, dass die Pandemie uns fest im Griff hat.
Sie waren federführend, den Schutzschirm für die Veranstaltungsbranche auf Schiene zu bringen. Wie genau funktioniert dieser Schutzschirm?
Elisabeth Köstinger: Wir haben über den Sommer versucht, eine Lösung und vor allem eine Perspektive für die Branche zu finden. Die Reisefreiheit ist massiv einschränkt und gerade Massenzusammenkünfte sind nicht möglich. Und trotzdem wird es wieder eine Zeit geben, in der die Corona-Pandemie nachlässt, es einen Impfstoff oder medikamentöse Behandlungen gibt. Und darauf bauen wir!
Speziell die Veranstaltungsbranche hat aber zur Zeit keine Planungssicherheit. Und Messen, Kongresse oder Veranstaltungen haben eine oft mehrmonatige Vorlaufzeit. Wir können heute zwar nicht hundertprozentig sagen, wann es wieder losgeht, aber wir wollen, dass die Veranstalter wieder planen. Und sollte es dann beispielsweise im Frühjahr oder Sommer wider Erwarten Einschränkungen geben oder Absagen notwendig sein, dann übernimmt die Republik nicht stornierbare Kosten. Auch wenn es etwa zu Kapazitätseinschränkungen kommt und so weniger Tickets verkauft werden, soll das von diesem Veranstalter-Schutzschirm abgedeckt sein.
Wir wollen der gesamten Branche eine Perspektive bieten in diesen sehr unsicheren Zeiten und das Risiko nehmen, schon Veranstaltungen zu organisieren. Die Wertschöpfung der gesamten Veranstaltungsbranche ist sehr groß, in Österreich macht das fast neun Milliarden Euro aus und trägt rund drei Prozent zur Wirtschaftsleistung bei. Für uns als Bundesregierung und vor allem für mich als Tourismusministerin ist es wichtig, die gesamte Branche und Wertschöpfungskette zu unterstützen.
Was war für Sie im Austausch mit den Branchenspezialisten die größte Erkenntnis?
Elisabeth Köstinger: Niemand kennt sich besser aus als die Leute, die tagtäglich damit arbeiten. Wir sind auf die Expertise angewiesen und ich freue mich immer sehr, wenn es einen intensiven Austausch gibt. Ich weiß gar nicht, wie viele Stunden ich in Videokonferenzen mit der Branche verbracht habe. Einfach um zuzuhören, wie das wirklich funktioniert, was es braucht und wie die Einschätzung der Veranstalter und Branchenvertreter ist, wie sich die Situation gestaltet.
Viele Veranstalter sind europaweit oder international tätig, da ist es hilfreich, zu hören, wie die Krise in anderen Ländern gemanagt wird. Und es war durchaus auch ein bisschen so in den ersten Monaten die Initialzündung, diesen Veranstalter-Schutzschirm aufzubauen. Der ist einzigartig in Europa, ich habe noch von keinem anderen Land gehört, dass Ähnliches versucht wird. Da wollen wir der Branche eine gewisse Art von Sicherheit geben bzw. ihr das Risiko für die nächsten Monate nehmen.
In vielen Regionen sind die großen Sommerfestivals vor allem im kulturellen Bereich zentrale Anziehungspunkte für Publikum aus nah und fern. Wie realistisch schätzen Sie ein, dass wir im nächsten Sommer diese Festivals wieder erleben werden?
Elisabeth Köstinger: Leider habe ich keine Glaskugel, ich glaube, damit könnte man zurzeit relativ viel Geld verdienen! Ich bin überzeugt, auch aus vielen Gesprächen mit Wissenschaftern und Virologen, dass sich die Situation nach dem ersten Quartal 2021 erheblich verbessern wird. Wir haben keine hundertprozentige Sicherheit, aber wir haben im heurigen Sommer gesehen, dass speziell Freiluftveranstaltungen durchaus gut durchführbar sind. Ich halte die Veranstalterbranche wirklich für sensationell, weil da so viel Liebe und Leidenschaft vorherrscht zu dem, was sie tun.
In der Stadthalle habe ich mir die Sicherheitsmaßnahmen zum ATP Open angeschaut, da steckt so viel dahinter, was die Mitarbeiter betrifft, die sich alles Mögliche überlegen, damit das trotzdem durchgeführt werden kann, wobei wir von einer Kostendeckung ganz weit entfernt sind. Aber es ist einfach dieser unbändige Wunsch, das zu tun, was man am besten kann und das für uns alle einen der wichtigsten Bereiche des gesellschaftlichen Lebens darstellt. Das geht von Kulturveranstaltungen bis hin zu Konzerten, Sportveranstaltungen und auch klassischen Messen. Alles lebt vom Zusammenkommen und der Interaktion. Ich möchte das gerne bestmöglich unterstützen.
Dieses Zusammenspiel aus Touristik und Veranstaltungen hat in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen. Schätzen Sie das auch so ein?
Elisabeth Köstinger: Das ist auch der Grund, warum ich mich als Tourismusministerin darum kümmere und mich der gesamten Branche so annehme. Wir haben zwei Arten von Tourismus. Das eine ist die Ferienhotellerie, die im Sommer relativ gut funktioniert hat, vor allem manche See- und Bergregionen haben ein Umsatzplus geschrieben, weil jeder dageblieben ist und das Beste aus dem Sommer gemacht hat.
Und dann gibt es die Stadthotellerie, die seit März komplett eingebrochen ist, weil Großveranstaltungen, Konzerte, Sportveranstaltungen und vor allem auch Messen und Kongresse fehlen. Und das wirkt sich natürlich auf die gesamte Hotellerie und Gastronomie aus. Da war das Bewusstsein noch nie so stark, wie sehr man voneinander abhängt. Auch generell von der Reisefreiheit, die jetzt massiv eingeschränkt ist. Manche Wiener Hotels haben eine Auslastung von über 90 Prozent mit internationalen Gästen. Das fehlt alles komplett und mir ist es ein ehrliches Anliegen, die Weichen jetzt in die Zukunft zu stellen, damit wir bestmögliche Planungssicherheit trotz dieser Pandemie bieten können.
Trotzdem wird unter den derzeitigen Voraussetzungen und Verordnungen niemand ein (Groß-)Event planen wollen.
Elisabeth Köstinger: Eines der besten Beispiele in Österreich ist der Radiologenkongress, der normalerweise mit 30.000 Besuchern stattfindet, natürlich eine unglaubliche Wertschöpfung für die gesamte Hotellerie der Stadt Wien, speziell Kongressgäste sind, was die Wertschöpfung betrifft, für uns besonders wichtig. Da sind wir in Gesprächen, um beispielsweise den Radiologenkongress zu unterstützen, damit der für nächstes Jahr organisiert wird, natürlich mit reduzierter Teilnehmerzahl. Aber meine Vision und großer Wunsch ist, dass wir ausgehend aus Österreich der Welt zeigen, Kongresse und Events können wieder stattfinden. Unter Sicherheitsauflagen und Einschränkungen wird es die Möglichkeit geben, persönlich zusammenzukommen. Ich glaube, das ist das, was jeder unbedingt will.
Das Leben hat sich stark auf Videokonferenzen und sonstige Formate verlegt, aber das alles kann den persönlichen Austausch nicht ersetzen. Und ich will, dass wir die Ersten sind, wenn es losgeht. Den zweiten Bereich sehe ich durchaus als Gamechanger an. Wir verfolgen als Bundesregierung die Strategie, so viele Tests wie möglich zu machen, damit wir Infizierte finden und isolieren und die restliche Wirtschaft weiterarbeiten kann. Speziell die Schnell- und Massentests sind meiner Meinung nach ein ganz wichtiges Instrument für die Zukunft, die geben keine hundertprozentige Sicherheit, finden aber die Superspreader, und damit hat man zumindest für das Event die größtmögliche Sicherheit.
Diese Schnelltests können sozusagen der entscheidende Faktor sein, das heißt, dass man sich hier auch auf diese Möglichkeiten verlässt und sie noch stärker etabliert?
Elisabeth Köstinger: Es hat einen sehr interessanten Versuch gegeben bei der Aufnahmeprüfung der WU im Austria Center Vienna, wo diese Schnelltests zum ersten Mal großflächig zum Einsatz gekommen sind, und ich bin überzeugt davon, dass das für die gesamte Veranstaltungsbranche ein Gamechanger sein kann. Wir haben bei Kulturveranstaltungen schon mehrmals Corona-Alarm gehabt, wobei ich mir wünschen würde, dass man bei der Berichterstattung weniger hysterisch mit dem Thema umgeht. Zurzeit ist es eine schwierige Situation, aber mit Testen, Isolieren und dem Kontaktpersonenmanagement müssen wir das händeln.
Mir geht es auch sehr stark darum, in den nächsten Monaten eine gewisse Art von Normalität zustande zu bringen und auch wieder ein bisserl mehr Hoffnung zu schöpfen. Bei den Schnelltests schauen wir uns mehrere Varianten an, was da möglich wäre und was wir unterstützen könnten. Aber da sind wir noch in der Planungsphase.
Sie haben auch die Idee aufgebracht, dass man das Freitesten im Tourismus etablieren sollte. Wird das von den anderen Regierungspartnern mitgetragen?
Elisabeth Köstinger: Wir haben am Beispiel von Dänemark gesehen, dass das funktioniert. Wir sehen in unseren Betrieben, egal ob das Gastronomie- oder Beherbergungsbetriebe sind, sobald es bei den Mitarbeitern einen Fall gibt, geht das schnell, dass das gesamte Team unter das Kontaktpersonenmanagement fällt und für zehn Tage vollkommen ausfällt. Und da wäre es meiner Meinung nach hilfreich, wenn man die bestehenden Regelungen überdenkt und überprüft, ob es eine Möglichkeit gibt, nach fünf Tagen einen PCR-Test durchzuführen, und sollte der negativ sein, die Quarantäne auch zu beenden. Wie gesagt, in Dänemark funktioniert das bereits, und das Gesundheitsministerium prüft zurzeit.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft des Livemarketing in Österreich?
Elisabeth Köstinger: Ich wünsche mir – und mittlerweile kenne ich die Branche schon so gut, dass ich glaube, dieser Wunsch wird auch in Erfüllung gehen –, dass wir die Ersten sein werden, die wieder losstarten und die diesen harten Weg und dieses Comeback für Österreich mit uns gehen. Ich bin vollkommen überzeugt davon, dass der Wunsch in der Gesellschaft und in der Bevölkerung sehr groß ist, dass Veranstaltungen und Events wieder stattfinden. Das wird für uns ein extrem wichtiger Booster sein, um die Wirtschaft generell wieder auch in früher da gewesene Erfolge zu führen. Wir erleben mit dieser Gesundheitskrise einen enormen Wirtschaftseinbruch, weltweit, in Europa und natürlich in Österreich. Und wir werden die gesamte Veranstaltungsbranche brauchen, damit wir wieder den Turbo einlegen und an alte Erfolge anschließen können.
Vielen Dank für das Gespräch!