Flughafen Wien AG
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wirft einen Blick in die Zukunft

Airport-Chef Julian Jäger hofft auf Reisesommer

Im Interview spricht Wiener Flughafen-Vorstand Julian Jäger über Corona, weiteres Wachstum, die verschobene Terminalerweiterung und wann der ­Flugverkehr wieder wie früher abheben wird. 

schau: Auch wenn es in weiter Ferne scheint, fragen sich viele: Ab wann können wir wieder – wie gewohnt – in Urlaub fliegen?

Julian Jäger: Die nächsten zwei bis drei Monate werden noch sehr schwierig, was den Urlaub betrifft. Aber ich bin nach wie vor für den heurigen Sommer optimistisch und hoffe, dass die Impfraten deutlich nach oben gehen und wir die ersten Schritte in Richtung „Grüner Pass“ haben. Und dass es dann – so wie letzten Sommer auch – bis zu einem gewissen Grad möglich ist, zumindest innerhalb Europas Urlaub zu machen. Länder wie Griechenland, Spanien oder Italien werden durchaus Des­tinationen sein, wo man beruhigt Urlaub machen kann.

Hand aufs Herz: Wie sicher ist das Fliegen zurzeit?

Julian Jäger: Ich bin nach wie vor überzeugt, dass das Flugzeug das sicherste öffentliche Verkehrsmittel ist. Durch die Klimaanlage wird alle drei Minuten die Luft ausgetauscht. Es sind mir keine Fälle bekannt, wo Cluster im Flieger entstanden sind. Und auch dieser Fall in China, mit fünf positiv getesteten AUA-Passagieren: Die Passagiere haben sich nicht im Flieger angesteckt, sondern schon vorher und sind im Verlauf der Reise positiv geworden. Auf den Flughäfen bemühen wir uns, soweit das möglich ist, den Abstand einzuhalten. Es gibt FFP2-Maskenpflicht von dem Moment an, in dem man den Terminal betritt, bis zu dem Moment, in dem man am Ankunftsort den Terminal wieder verlässt. Plus die Klimaanlagen in den Flugzeugen. Also hundertprozentig sicher ist nichts, wie wir wissen, aber es ist ein sehr hoher Grad an Sicherheit. Diese Sicherheitsmaßnahmen sind ein enormer Aufwand, der auch eine Menge Geld kostet.

Wie wird sich das auf die Ticketpreise niederschlagen?

Julian Jäger: Da muss man sehr differenzieren. Ich würde davon ausgehen, dass nach der Krise auf Langstrecken, wenn die Nachfrage über Nacht sehr stark wachsen wird, die Ticketpreise durchaus hoch sein werden. Im Kurzstreckenverkehr ist vorstellbar, dass viele Flugzeuge, die derzeit herumstehen, dann auch wieder in Aktion treten werden und dass man die Piloten holt und es kurzfristig viel Kapazität geben wird. Das wird je nach Strecke sehr unterschiedlich sein. Es wird Strecken geben, bei denen es eine große Konkurrenz gibt, mit dementsprechend günstigen Ticketpreisen. Es wird keinen einheitlichen Trend geben.

Aber ich bin optimistisch, dass, wenn der „Grüne Pass“ wirkt und wir eine höhere Impfrate und Herdenimmunität haben, dann von heute auf morgen eine große Reiselust auftreten wird.

Nach einem Jahr Corona: Wie ist derzeit die Situation am Flugha­fen?

Julian Jäger: Sehr ruhig! Wir haben nach wie vor 6.000 bis 7.000 Passagiere täglich, 90 Prozent weniger, als wir im Jahr 2019 zu diesem Zeitpunkt hatten. Wir sind finanziell ein sehr gut aufgestelltes Unternehmen. Das heißt, man braucht sich um unsere Existenz keine Sorgen zu machen. Und wenn es im Sommer losgeht, dann sind wir bereit. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind extrem motiviert, dass endlich auch wieder 20.000, 30.000 oder 40.000 Passagiere jeden Tag durch den Terminal gehen. Wir hoffen auf Reisefreiheit im Sommer und dass wir dann ­wieder zumindest in Richtung altes Niveau kommen.

Kann man abschätzen, wann eine Rückkehr zum Niveau vor der Krise möglich sein wird?

Julian Jäger: Es ist ein bisserl Kaffeesudlesen, aber trotzdem hat jeder seine Prognosen. Ich würde davon ausgehen, dass wir das Niveau von vor der Krise erst im Jahr 2026 erreichen. Also es wird schon einige Jahre dauern und letztendlich bedeutet die Krise für uns, dass sich auch unsere großen Vorhaben ein paar Jahre nach hinten schieben.

Welche Projekte sind davon betroffen?

Julian Jäger: Wir hatten ja grundsätzlich vor, dass wir in den Jahren 2021, 2022, 2023 bis zu 500 Millionen Euro für die Terminalerweiterung ausgeben. Diese Projekte sind – bis auf den Terminal 2, der heuer fertig wird – gestoppt und in die Zukunft geschoben. Zurzeit haben wir nur die Hälfte vom Terminal in Betrieb, aber wir freuen uns schon, wenn die gesamte Kapazität, die wir vorher hatten, wieder in Funktion ist. Aber all diese Projekte sind aufgeschoben und nicht aufgehoben! Wir hoffen natürlich, dass wir in den nächsten Jahren wieder ausreichend Passagiere haben werden, um das anzugehen und den Terminal zu erweitern, um unseren Passagieren eine bessere Qualität anbieten zu können. Dasselbe gilt für die dritte Piste, wenn es die Nachfrage gibt und sich das rechnet, aber auch hier wird um einige Jahre nach hinten verschoben, aber nicht aufgehoben.

Der Flughafen ist auch ein großer Wirtschaftsfaktor, drei Bundesländer sind unmittelbar betroffen, viele Betriebe sind angesiedelt. Herrscht überall Stillstand?

Julian Jäger: Es kommt ganz darauf an! Den Airlines am Flughafen geht’s so wie uns. Bei einigen Firmen wie Speditionen oder Cargo Airlines gibt’s zwar einen Rückgang gegenüber früher, aber der ist bei Weitem niedriger, da reden wir von zehn bis 20 Prozent. Am schlimmsten trifft es den Tourismus. Was die Ost­region und vor allem Wien auch brauchen, ist, dass der Städtetourismus wieder losgeht. Das wird im Sommer noch schwierig sein, aber hoffentlich wird im Herbst auch der Städtetourismus wieder anziehen. Das ist für uns in ganz Österreich, aber insbesondere in der ­Ostregion ein ganz wichtiger Wirtschaftsfaktor.

Was haben Sie ganz persönlich mitgenommen aus einem Jahr Corona?

Julian Jäger: Dass die Dinge manchmal anders kommen, als man glaubt! Unsere größte Sorge vor einem Jahr war, wie wir die vielen Passagiere durch unsere Baustellen am Flughafen bringen. Und ein paar Wochen ­später war der Terminal leer. Am schwächsten Tag hatten wir 150 Passagiere, das hatten wir normalerweise in fünf Minuten. Ja, die Bäume wachsen nicht in den Himmel und manchmal gibt es Entwicklungen, die man sich vorher nicht vorstellen kann. Ich glaube, eine gewisse Demut lernt man in solchen Situationen.

Vielen Dank für das Gespräch.