Xenia Hausner
In einer umfassenden Retrospektive zeigt die ALBERTINA Xenia Hausner – eine der wichtigsten österreichischen Malerinnen unserer Zeit.
Die sichtbar gemachte Fiktion spielt im Oeuvre der 1951 geborenen Künstlerin eine entscheidende Rolle. True Lies verweist auf die Bedeutung der Inszenierung als Gestaltungs- und Kompositionsprinzip im Schaffen von Xenia Hausner.
Für ihre großformatigen Gemälde konstruiert die Künstlerin vorab aufwendige räumliche Settings: Installationen, die sie als Vorlage für ihre Bilder zunächst fotografiert. Zerschnittene Autos oder Zugabteile aus Karton werden zu einem „Probenraum“, in dem die Figuren, wie Schauspieler Beziehungen ausloten.
Malerei und Fotografie sind im Entstehungsprozess eng verschränkt und treten in ein dialektisches Verhältnis: die farbstarke und flächige Malerei „widerspricht“ gewissermaßen dem zuvor entstandenen Foto. Das malerische Procedere wiederum ist bei Hausner durch filmische und fotografische Methoden geprägt. Die Wahl des Ausschnitts, das Fragmentarische, die Montage, die durch die Farbe gesteuerte Lichtregie – all dies trägt zum intensiv atmosphärischen Charakter der Bilder bei. Die von Xenia Hausner erschaffenen Szenarien bleiben rätselhaft und irritierend. Wie Bruchstücke einer Geschichte – vergleichbar mit Filmstills, denen der Plot abhandengekommen ist – entziehen sie sich einer eindeutigen Lesart.
Während die Kunstgeschichte über Jahrhunderte vom männlichen Blick geprägt ist, verortet Xenia Hausner ihre Inszenierungen in einer von Frauen dominierten Gegenwelt: Die Themen und Geschichten Hausners werden vorrangig von Frauen verkörpert, die so stellvertretend für alle Genderzugehörigkeiten agieren. Den männlichen Stereotypen, stellt sie starke, widersprüchliche und komplexe Frauenfiguren gegenüber.
Meist in Überlebensgröße, in einer unverwechselbaren, intensiven Farbpalette mit breitem Pinsel, werden die plastisch herausmodellierten Figuren zu Stellvertretern allgemein gültiger Situationen und existenzieller Lebensfragen.
Zitate Xenia Hausner
„Es gibt eine Sehnsucht nach Eindeutigkeit, nach Gewissheit, an der man sich orientieren kann. Das nennt man dann Wahrheit. Wir leben alle mit unseren jeweiligen Annahmen der Wirklichkeit. ‚True lies‘, also ‚wahre Lügen‘, lügen mit Bedacht. Jedes gelungene Kunstwerk lügt die Wahrheit herbei. Die gemalte, komponierte Besonderheit ist die Lüge, die die Wahrheit beschwört. Über die Fiktion der Kunst lernen wir die Welt besser verstehen. Darum geht es in meiner Kunst, in jeder Kunst! Ich male erfundene Geschichten, die der Betrachter mit seinem eigenen Leben zur Deckung bringen kann.“
„Ich will nicht, dass zu Beginn meiner Arbeit an einem Bild schon alles feststeht, es muss anfangs etwas Ungelöstes mitschwingen, das ich herausfinden kann. Das ist das Spannende. Das Bild nimmt oft eine überraschende Wendung, auf die ich mich dann einlassen muss.“
„Letztlich ist alles, woran ich arbeite, ambivalent und fragmentarisch. Ich möchte gar nicht alles ans Licht holen und verstehen. Die Dinge im Halbdunkel zu belassen ist völlig ausreichend. Meine Bilder haben keine eindeutige Botschaft, das Leben ist ja nicht schwarz- weiß. Betrachter lesen das Bild mit ihrem eigenen Fundus an Lebenserfahrungen.“
„Ich gebe keine Gebrauchsanweisungen oder Leseanleitungen. Im Gegenteil. Eindeutige Lesarten sind langweilig. Das Leben ist ein Fragezeichen. Kunst muss geheimnisvoll, unangepasst und irrational sein.“
„Mein Kosmos ist weiblich. Frauen sind Dreh- und Angelpunkt in meiner Arbeit, in den Bildern agieren sie stellvertretend für alle Genderzugehörigkeiten. Ich arbeite alle Menschheitsthemen in weiblicher Besetzung ab.“
„Meine Figuren sind keine Pin-up-Schönheiten, eher ausgeprägte Persönlichkeiten. Sie agieren aus einer Position der Stärke. Bei mir sind sie selbstbewusst und sehnsüchtig zugleich. Mit ihrem indiskreten Blick sind sie in einer Zwiesprache mit mir und natürlich auch mit jenen, die sie betrachten.“
„Ich bin nicht tagesaktuell, aber seismografisch, und reflektiere meine Zeit. Ich hänge mich nicht an den Abendnachrichten auf, lebe aber sehr bewusst in unserer heutigen Welt.“
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Die Ausstellung ist von 30. April bis 8. August 2021 in der Albertina zu sehen.