Viennale 2021
Die Viennale findet 2021 von 21. bis 31. Oktober statt.
Die Viennale erweitert ihr barrierefreies Angebot und unternimmt damit einen weiteren Schritt auf dem Weg, jene Herausforderungen zu meistern, die die Inklusion an eine Gesellschaft der Gegenwart stellt: In der Urania werden vier Vorstellungen mit Audiodeskription für sehbeeinträchtigte Menschen angeboten werden und für Menschen mit Hörschwierigkeiten stehen nunmehr in allen Kinos induktive Höranlagen zur Verfügung.
Kino für Alle, dafür steht auch der traditionsreiche Überraschungsfilm am 26. Oktober um 11 Uhr im (frisch renovierten) Gartenbaukino sowie die Erste Bank MehrWERT-Matinee am 31. Oktober um 10.30 Uhr ebendort.
Erinnert wird in diesem Jahr an den 100. Geburtstag des berühmtesten Wiener Cinephilen, Amos Vogel, der seine Liebe für das Kino auf die andere Seite des Atlantiks gerettet und dort weitervermittelt hat. In Zusammenarbeit mit dem Österreichischen Filmmuseum und unter tatkräftiger Beteiligung unterschiedlicher Kurator*innen aus verschiedenen Weltgegenden wurde ein Programm kreiert, das zeitgenössisch an Vogels kritischen Geist und die subversive Stoßkraft seiner Programmierungen anknüpft.
Gut 240 Filme umfasst das Programm, und ein Schwerpunkt desselben liegt auf der kurzen Form, traditionellerweise die Autor*innengattung unter den Filmen, da sie sowohl vielversprechenden Debütant*innen als auch etablierten Regisseur*innen immer wieder andere und immer wieder neue Möglichkeiten des Ausdrucks bietet.
Doch wirklich lebendig wird das auf elf intensive Tage verdichtete Programm erst in der Begegnung mit den Filmemacher*innen vor Ort; denn erst deren physische Anwesenheit und die Möglichkeit, sich in direktem Kontakt mit ihnen auszutauschen, macht ein Festival zu dem, was es ist. Zahlreich sind in diesem Jahr die eingeladenen Gäste, und sie werden nicht nur die Säle der Kinos, sie werden auch die Winkel der Stadt mit ihrer Energie füllen.
Zu diesen Gästen gehört auch Terence Davies, der auf dem Festival in San Sebastián eben erst für sein Drehbuch zu seinem aktuellen Film BENEDICTION ausgezeichnet wurde. Davies wird in einem gemeinsam mit dem Drehbuchforum organisierten Werkstattgespräch Einblicke in seinen Schreibprozess gewähren. Im Rahmen dieser Veranstaltung wird Band drei der 2019 ins Leben gerufenen, filmkritischen Reihe präsentiert, die Terence Davies gewidmete TEXTUR #3.
Des Weiteren kann man sich auf Live-Musik im Kino freuen. Musikalisch begleitet werden sowohl Filme, die im Rahmen der vom Filmarchiv Austria besorgten Monografie das herrliche Werk Henrik Galeens repräsentieren, als auch die beiden Programme, die im Rahmen der Historiografie dem Pionier des Filmtricks und Meister des Fantastischen, Segundo de Chomón, gewidmet sind.
Seit einiger Zeit sieht sich die Ökonomie des Kinos nicht nur mit Märkten und Rezeptionsgewohnheiten im Wandel, sondern auch mit neuen Akteur*innen in der Branche konfrontiert. Um über die Rolle und die Verantwortung von Filmfestivals im Rahmen der Ökonomie des Autor*innenkinos nachzudenken, wurde ein Treffen organisiert, das sich an Fachleute ebenso richtet wie an jene, die einfach nur mehr über die Welt der Festivals erfahren wollen. Das Viennale-Team freut sich auf die Anwesenheit auch der Leiter großer Filmfeste wie der Berlinale und jenem in Locarno. Diese Veranstaltung ist Teil eines umfassenderen Programms, das es bis Ende nächsten Jahres unternehmen wird, die statthabende Transitionsperiode grundlegend zu verstehen und die Notwendigkeiten zu identifizieren, die sich aus ihr ergeben.
Viennale: Kurzfilme
Mit der Auswahl von 42 Filmen kurzer und mittlerer Länge – aufgeteilt in Programme respektive zusammengefasst unter thematischen beziehungsweise ästhetischen Gesichtspunkten – will man die Bedeutung dieses Formats unterstreichen. Zu jenen acht Programmen gesellen sich noch einige Filme, die wie klassische Vorfilme jeweils einen Langfilm begleiten. Das Angebot insgesamt ist umfangreicher als in den Jahren zuvor.
Es handelt sich beim Kurzfilm um ein Filmformat, das sich der Logik der Vertriebswege und der kommerziellen Verwertbarkeit entzieht, was keinesfalls gleichbedeutend ist damit, dass es nur etwas für Amateur*innen oder Anfänger*innen wäre. Die Viennale will den Kurzfilmen mehr Platz einräumen als bisher, weil sie trotz oder gerade wegen ihrer Längenbeschränkung anspruchsvoll und konzentriert und zugleich frei und abenteuerlich sind. Es wird ein künstlerisches Mittel in den Vordergrund gerückt, das weit mehr als die meisten anderen für eine Suche nach Form und Ausdruck offen ist, das die Bereiche und die Sprachen der Kunst durchstreift, und das gerade auf den Filmfestivals jenen Raum beanspruchen darf und soll, den es braucht, um seinem Publikum zu begegnen.
Gezeigt werden Werke sowohl debütierender wie etablierter Regisseur*innen, von Apichatpong Weerasethakul bis zu Peter Tscherkassky, von Ute Aurand bis zu Friedl vom Gröller; wir zeigen Werke lang schon aktiver Filmemacher*innen, die bereits für ihre Langfilme Wertschätzung erfahren haben wie zum Beispiel Lois Patiño, Matías Piñiero, Salomé Lamas; wir zeigen Werke von Kurzfilm-Künstler*innen mit großer Erfahrung wie Morgan Quaintance und Daïchi Saïto. Viele der Filme – alle zum ersten Mal in Österreich zu sehen – werden im Rahmen der Viennale ihre Welturaufführung erleben; zu den meisten der Vorführungen erwarten wir Gäste.
Die Titel der acht verschiedenen Programme – Inheritances, Reconfiguring the Earth, Human Material, The Scope of Dreams, Social Skins, Mysterious Objects, A Certain Intimacy, A Radiant Earth – liefern Assoziationsräume auch für die Langfilme der diesjährigen Auswahl.
Features, Programmschwerpunkte
Unbestreitbar sprechen die ausgewählten Filme – vermittelt über die politischen, humanistischen und sozialen Gedanken, die sie entwickeln – von uns und von der Welt; wobei besondere Aufmerksamkeit, und das bestätigen mitunter sogar schon die Titel, der Erinnerung und der Geschichte zukommt.
„Das Kino hat jenes enorme Potenzial, das es uns erlaubt, Erkenntnisse neu zu formulieren und Wissen zu speichern“, sagt Fabrizio Ferraro. Ihm ist ein Programm gewidmet, eine Filmografie, die einen Querschnitt durch sein Werk bietet und darin jene historischen Figuren präsentiert, die ihn inspirier(t)en: Die Unerwünschten, die, wie Walter Benjamin in LES UNWANTED DE EUROPA, in Opposition zur herrschenden Meinung die Brüche, Widersprüche und Risse ihrer jeweiligen Gegenwart aufgezeigt haben.
Auch in Terence Davies’ elegantem Oeuvre gehen Erinnerung und Geschichte ineinander über; hier auf eine sehr persönliche und poetische Weise, die den Lebenskreislauf und das Vergehen von Zeit regelrecht zelebriert und ihnen einen unvergleichlichen Rhythmus verleiht.
Ein weiteres Thema, das unsere Gegenwart umtreibt, sind Erziehung und Bildung. Wir werden Herrn Bachmanns Klassenzimmer besuchen (HERR BACHMANN UND SEINE KLASSE von Maria Speth) und wir werden uns mit den mannigfachen Spaltungen der heutigen Gesellschaft vertraut machen, die, um nur diese beiden aus einer Vielzahl hervorzuheben, in NOUS von Alice Diop und in NOUS DISONS RÉVOLUTION von Klotz und Perceval ersichtlich werden. Generationen erklären sich uns vermittels des Films, in Arbeiten, die in ihrer Konzeption offen sind und solcherart konstruktiv wirken; beispielsweise FUTURA von Marcello, Munzi und Rohrwacher und QUIÉN LO IMPIDE von Jonás Trueba. Letzterer ein außerordentliches Werk: Der Film wurde über einen Zeitraum von vier Jahren mit acht Heranwachsenden als Hauptdarsteller*innen gedreht, die von sich erzählen, die sich „spielen“, die einander in diesem gemeinsam geschriebenen Spielfilm befragen – der wiederum ihre bisherigen Erfahrungen mit ihren Hoffnungen für und Erwartungen an die Zukunft verbindet. QUIEN LO IMPIDE feierte kürzlich beim Festival von San Sebastián Premiere und wird in Zusammenarbeit mit der Spanischen Botschaft in einer Sondervorführung bei der Viennale vorgestellt, in Anwesenheit des Regisseurs und einiger Darsteller*innen. Sie werden vor Ort sein, um mit dem Publikum in Dialog zu treten und ein Gespräch anzustoßen, das sich – wie der Film selbst – über die Grenzen der Lein- wand hinaus gesellschaftlich ausweiten soll.
Sechs Langfilme und zehn Kurzfilme aus heimischer Produktion gehören zur diesjährigen Selektion der aktuellen Filme. Von diesen feiern einige im Rahmen der Viennale ihre Uraufführung und andere sind nach ihrer Präsentation auf ausländischen Festivals endlich auch „Zuhause“ zu sehen. Sechzehn Filme aus Österreich, die wir stolz und dankbar in den bereichernden Dialog mit der internationalen Auswahl aus dem Gegenwartskino stellen.