Oberes Belvedere
Oberes Belvedere
Uli Aigners monumentale Vase

Selbsttötung auf Vase

Uli Aigner stellt dem barocken Bildprogramm des Carlone-Saals ein monumentales Gefäß aus Porzellan gegenüber. Die Künstlerin nimmt das traditionsreiche Material Porzellan als Ausgangspunkt, um persönliche Verlusterfahrungen in eine Botschaft des Lebens und Überlebens umzuwandeln.

„Kunstschaffen ist für Uli Aigner ein Dialog mit der Welt, mit Dingen, mit Milieus und mit einzelnen Menschen. Produktion und Leben bilden bei ihr eine Einheit. Die Auseinandersetzung mit Helligkeit und Dunkelheit im Lebenszyklus verbindet ihre zeitgenössische Arbeit mit den Fresken von Carlo Innocenzo Carlone“, so erläutert Stella Rollig, Generaldirektorin des Belvedere, ihre kuratorische Setzung.

Item 2361 – monumentales Porzellangefäß

In Jingdezhen in China, der „Welthauptstadt des Porzellans“, setzt Uli Aigner 2017 einen ihrer Vasenentwürfe in Porzellan um. Unter ihrer Aufsicht und Mitarbeit realisieren chinesische Töpfer ein mehr als siebenhundert Kilo schweres Gefäß mit 2,30 Metern Höhe und 1,25 Metern Durchmesser. Im Anschluss bemalt Aigner gemeinsam mit einer Porzellanmalerin das Gefäß vor Ort nach der großformatigen Buntstiftzeichnung Offene Form 19.

Das Motiv nimmt Bezug auf die gravierende Erfahrung der Selbsttötung nahestehender Menschen. Festgehalten ist ein Sonnenuntergang im Nordwesten Kanadas, der letzte vor der monatelangen Zeit ohne Sonnenlicht. Am oberen Rand des Gefäßes greift die Künstlerin eine alternative Darstellung des Universums auf: die auf Grundlage einer mathematischen Formel aufgestellte These, das Universum könnte ein Hologramm sein. Aigner thematisiert damit die physische Präsenz im Lebensraum und ein hypothetisches Weltmodell – zwei Möglichkeiten, mit deren Hilfe sich der Mensch in Beziehung zur Welt setzt.

Im Wissen um die weltweit hohe Zahl von Selbsttötungen verweist Aigner mit diesem Werk auf diejenigen, die sich für den Abschied entschieden haben, und zollt jenen Tribut, „die trotzdem da sind“.

Carlone Contemporary

Die Auseinandersetzung mit Licht und Schatten, mit Helligkeit und Dunkelheit im Lebenszyklus findet sich auch in den Fresken von Carlo Innocenzo Carlone. Hier wird der immer wiederkehrende Wechsel von Tag und Nacht thematisiert, wobei die Helligkeit – verkörpert durch Apoll als Anführer der Musen – positiv konnotiert ist, da sie schlechte Eigenschaften sichtbar macht, überstrahlt und vertreibt.

Offene Form

Das im Carlone-Saal ausgestellte Werk von Uli Aigner basiert auf einer Buntstiftzeichnung aus der Serie Offene Form, an der Aigner seit 2013 arbeitet. Dabei handelt es sich um monumentale Darstellungen von offenen, vasenartigen Formen. Aigners Monumentalgefäße repräsentieren ihren Handlungsspielraum als Künstlerin im 21. Jahrhundert. In ihren Bildmotiven zeigen sich Perspektiven, Wünsche und Vorstellungen von Individuen, aber auch Wertvorstellungen, Ideologien und Visionen gesellschaftlicher Entwicklungen.

One Million

Porzellan überdauert Jahrhunderte und wird so zu einem Speichermedium und zu „politischem Material“, das von gesellschaftlichen Produktionsbedingungen im Lauf der Zeit erzählt. Das Kunstprojekt Uli Aigners, bis zu ihrem Lebensende eine Million Gefäße zu töpfern, weist hingegen auf die Endlichkeit des Lebens. Jedes Gefäß aus der Serie One Million ist ein signiertes und nummeriertes Unikat, dessen Weg sich auf der eigens eingerichteten Website www.einemillionporzellan.com nachverfolgen lässt. Der Künstlerin geht es dabei vor allem um die vielen Möglichkeiten der Kreation, der Kommunikation und der Kontakte, die durch Teilen entstehen. Das wiederkehrende Motiv des Gefäßes ist für sie ein kultureller Code, der global verstanden und in allen Gesellschaften in unterschiedlichen Ausformungen verwendet wird.

Tickets und Infos „Uli Aigner“

  • Ausstellung: 3. November 2019
  • Location: Oberes Belvedere, 1030 Wien, Prinz Eugen-Straße 27
  • Telefon: 01/795 57-0
  • Weitere Infos unter www.belvedere.at