Die Überflüssigen
Die Überflüssigen
nach Tschechow im TAG

„Iwanow – Die Überflüssigen“ im TAG

„Iwanow“ im TAG. Sina Heiss befragt den klassischen Stoff von Anton Tschechow auf seine gegenwärtige Relevanz. 

Der überflüssige, sich sinnlos gewordene Mensch ist ein immer wiederkehrender Topos der russischen Literatur des 19. Jahrhunderts. Überfordert, verwirrt von den neuen Zeiten, verantwortungslos für sein Umfeld, erstickt er an Selbstmitleid. Eine verlogene bürgerliche Fassade, die er gleichzeitig verzweifelt aufrechterhält und reflexiv entlarvt. Nichts Richtiges im Falschen.

Inhalt

Der begabte und liberale Iwanow versucht sich nach dem Studium in Moskau reformerisch und sozial engagiert den Rück­ständigkeiten der Provinz ent­gegenzustellen. Doch seine Kräfte verlassen ihn unter dem Einfluß unglücklicher Umstände allzu schnell. In der Mitte seiner dreißiger Jahre verliert er aus für ihn unerfindlichen Gründen Mut, Durch­setzungsfähigkeit und Selbstbewußtsein. Er verliert sein Gleichgewicht und findet weder Halt in sich selbst noch bei seinen »Freunden«. Anna Petrowna, seine jüdische Frau, die unheilbar an Tuberkulose erkrankt ist und wegen der Heirat mit einem Christen von ihrer Familie enterbt und verstoßen wurde, hat nicht das erhoffte Geld in die Ehe eingebracht. Zu den Schulden, die Iwanow über den Kopf zu wachsen drohen, kommt die Liebelei mit der jungen Sascha Lebedew, mit der er sich nach dem Tod von Anna verbinden will. Auf der Hochzeitsfeier, ein Jahr nach Annas Tod, erschießt er sich.

„Iwanow“ heute

„Wir tun alles, um Zeit zu sparen, und sobald wir sie gespart haben, schlagen wir sie tot, weil wir nicht wissen, was wir mit ihr anfangen sollen.“

Sina Heiss befragt den klassischen Iwanow-Stoff von Anton Tschechow auf seine gegenwärtige Relevanz. Heute, da der Mensch in seinem massenhaften Auftreten auf seine Konsument*innenrolle reduziert und als Arbeitskraft durch grassierende Automatisierung von den Funktionseliten mehr und mehr für überflüssig erklärt wird. Damit nicht genug: Heiss überträgt die Konstruktion zusätzlich noch in die Lockdown-Zeit 2020 – ein gewagtes Unternehmen. Iwanow wird konfrontiert mit der Unsicherheit und Krisenstimmung unserer neuen Normalität.
Denn nicht nur die grassierende Krankheit hat diese Themen immer mehr in unser Bewusstsein und in den öffentlichen Diskurs gebracht, sondern auch die digitale Revolution des 21. Jahrhunderts. Wir befinden uns an der Schwelle zu einem neuen Zeitalter, dessen Vorboten schon längst fixe Bestandteile unseres Lebens geworden sind. Die Frage ist nur: Wieso lassen wir das alles mit uns machen? Und haben wir überhaupt die Möglichkeit, uns dagegen zu wehren? Oder sind wir dazu bereits zu erschöpft und überfordert? Kann das Theater diese Zusammenhänge noch abbilden oder zerreißen sie im Angesicht dieser dramaturgischen Überforderung? Sina Heiss sucht Antworten auf diese Fragen. Das tschechowsche Thema des Aus-der-Zeit- Gefallenseins wird von ihr in unserer neuen Welt variiert. Ein Unternehmen, das an den Grundvereinbarungen eines Theaterabends rüttelt.
Es spielen Jens Claßen, Michaela Kaspar, Raphael Nicholas, Alina Schaller und Georg Schubert.

Die Überflüssigen
Frei nach „Iwanow“ von Anton Tschechow
Voraufführung: Do 20. Jänner 2022, 20 Uhr
Premiere: Sa 22. Jänner 2022, 20 Uhr
Vorstellungen: Di 25., Mi 26., Fr 28. und Sa 29. Jänner 2022, 20 Uhr Di 1., Mi 2., Sa 26. und Mo 28. Februar 2022, 20 Uhr (– weitere Termine bis Saisonende in Planung)
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