„Der Bockerer“ in Kobersdorf
„Der Bockerer“ wird heuer bei den Schloss-Spielen Kobersdorf gezeigt. Intendant Wolfgang Böck spielt den Fleischhauer im sog. Dritten Reich.
Die Handlung beginnt im März 1938 nach dem sogenannten „Anschluss“ von Österreich an Hitler-Deutschland und endet nach dem 2. Weltkrieg im August 1945. Karl Bockerer ist Fleischhauer im vierten Wiener Gemeindebezirk. Seine Frau Binerl hilft im Geschäft. Sein Sohn Hans ist Mitglied der nationalsozialistischen Sturmabteilung (SA). Bockerers Freund Hatzinger kommt einmal in der Woche zum Tarockspielen. Zur Kartenrunde zählt auch der jüdische Rechtsanwalt Rosenblatt. Doch seit der Eingliederung Österreichs in das nationalsozialistische Deutsche Reich gelten auch hier die „Nürnberger Gesetze“, welche die endgültige Herabwürdigung, Entrechtung und Schikane der jüdischen Bevölkerung zur Folge haben.
Rosenblatt hat ein Visum nach Amerika ergattern können. Bockerer kann den Rassen-Unfug der neuen Machthaber nicht begreifen. An seinem Geburtstag stellt er erzürnt fest, dass dieser auch der Geburtstag des „Führers“ ist. Er verabschiedet Rosenblatt am Bahnhof und verabredet sich mit dem Eisenbahner Hermann, der im Widerstand engagiert ist, beim Heurigen. Dort kommt es zum Streit mit vier Parteigenossen. Bockerer wird zum Verhör bei der Geheimen Staatspolizei geladen. Er erfährt von Hermanns Tod im KZ Dachau und ahnt, dass dieser von Hans verraten wurde. Der Vater will seinen Sohn aus dem Haus werfen. Eine zu lange Hakenkreuzfahne rollt Bockerer so lange auf, bis das Emblem verschwunden ist. Hans zieht in den Krieg, wo er fallen wird. In Bockerers Wohnung werden ausgebombte Bürgerinnen und Bürger aus dem Norden einquartiert. Als der Krieg vorüber ist, liest Bockerer dem vermeintlichen Adolf Hitler die Leviten. Rosenblatt, nun Sergeant der US- Armee, kehrt zurück. Die Tarockrunde ist wieder komplett.
- „Der Bockerer“
- Schloss-Spiele Kobersdorf
- 5. bis 31. Juli
- Tickets
Der Regisseur über den „Bockerer“
„Ungebrauchte Hakenkreuzfahne billig abzugeben!“ steht auf dem Schild, das der Bockerer vor seiner Fleischerei hinstellt. Karl Bockerers Waffe zu all dem Grauen der allgegenwärtigen Naziherrschaft sind seine Worte, mit denen er auf humorvolle, manchmal naive, aber immer aufrichtige Weise auf Humanität pocht. Eine wünschenswerte Verhaltensweise für unsere Gegenwart, die eigentlich alle Antworten kennt. Geheimnisse bleiben unverborgen. Und doch – wir wollen nur zu gerne dieser Gegenwart trauen und uns deshalb kurzsichtig wähnen.
„Der Bockerer“ ist ein großes Stück österreichische Seele! Vollgepackt mit seiner Eigenwilligkeit, seiner Bereitschaft auf Vulkanen zu tanzen und seiner augenzwinkernden Hartnäckigkeit. Ein Spiegel mit blinden Flecken. Aber ein Stück über Leben und Hoffnung.
Darum ist es mir ein wichtiges Anliegen, eine Umsetzungsform zu suchen, die aus der Gegenwart heraus betrachtet. Die nicht urteilt, sondern erzählt. Die hinschaut und erkennt. Die uns schmunzeln lässt, wo’s manchmal wehtut. Wir erleben Menschen in dieser Geschichte, die wir alle kennen, längst kennen und vielfach auch übersehen. Kauzige eigenwillige Menschen, deren Tun uns aber hellhörig werden lässt. „Wenn Menschen zusammenkommen, muss man mit Wundern rechnen“ – ein Satz von Hannah Arendt, der auch im Positiven zutrifft.
„Der Bockerer“ ist ein wichtiges Stück Österreich – zeitlos, unterhaltend und auch mahnend. Schon deshalb ist es mir eine wirklich große Freude, diese Herausforderung in Kobersdorf anlässlich der diesjährigen Sommerspiele aufnehmen zu dürfen. (Claus Tröger)