Das Café Palmhof
Das Jüdische Museum Wien präsentiert seit 22. Jänner die Geschichte des Café Palmhof, das heute aus dem kollektiven Bewusstsein der Stadt Wien verschwunden ist, ebenso wie sein Besitzer. Die Ausstellung im Museum Dorotheergasse erzählt über das Leben von Otto Pollak, das beispielhaft für die jüdische Teilhabe am Wiener Kultur- und Gesellschaftsleben steht.
Das Café Palmhof in der Mariahilfer Straße 135 im 15. Wiener Gemeindebezirk wurde ab 1919 von Otto Pollak (1894–1978) und seinem Bruder Karl (1889–1943) betrieben. Ihnen gelang es das Café neu zu positionieren und zu einem populären Wiener Treffpunkt zu machen. Tagsüber wurde es als Kaffeehaus geführt, abends fanden regelmäßig Konzerte, Tanzveranstaltungen und gesellschaftliche Ereignisse wie z. B. die Fräulein-Wien-Wahl 1933 statt. Es bot 350 Gästen Platz und wurde durch seine innovative Programmierung berühmt.
Das Café Palmhof
Das Café Palmhof wurde zu einem wesentlichen Fixpunkt im Leben seiner Gäste: ein sozialer Treffpunkt, ein verlängertes Wohnzimmer und für manche auch ein Arbeitsraum. Über die Jahre hinweg wurde das Café von den angesagten Architekten der Zeit immer eleganter ausgestattet. Auch das neue Medium Radio wurde auf das Café Palmhof aufmerksam und übertrug die Konzerte sogar einmal in der Woche live.
Der Antisemitismus machte auch vor dem Kaffeehaus nicht Halt. Am 12. August 1925 zogen Nationalsozialisten durch die Mariahilfer Straße und versuchten das Palmhof zu stürmen. Im Mai 1934 erschütterte ein Bombenanschlag illegaler Nationalsozialisten diesen kosmopolitischen Wiener Ort.
1938 wurde das Kaffeehaus „arisiert“ und einem früheren Kellner übertragen. Die gesamte Familie Pollak wurde nach Theresienstadt und in andere Lager deportiert. Nur Otto Pollak und seine Tochter Helga überlebten.
Die Familie Pollak
Die Familie Pollak stammte ursprünglich aus Tschechien. In Gaya, einer Kleinstadt mit einer bedeutenden jüdischen Gemeinde, betrieb sie einen Handel mit Waren aller Art. Otto Pollak absolvierte die Handelsakademie in Proßnitz (Protĕjov) und meldete sich im August 1914 freiwillig zum Feldkanonenregiment Nummer 5 in Brünn. Er zeichnete sich durch große Tapferkeit aus, überstand eine Typhuserkrankung und erhielt die Kleine und Große Silberne Tapferkeitsmedaille. Im Jänner 1916 wurde er schwer verwundet, in Folge dessen sein linkes Bein amputiert werden musste. Er ließ sich dadurch aber nicht erschüttern und spornte sich selbst zu außergewöhnlichen sportlichen Leistungen an. So durchschwamm er 1926 als 32-jähriger den Millstätter See.
Die gesamte Familie Pollak wurde 1943 nach Theresienstadt deportiert. Otto Pollak war als Kriegsinvalide – er verlor im Ersten Weltkrieg ein Bein –vor einer weiteren Deportation verschont. Sein Bruder Karl wurde in Auschwitz ermordet. Otto und seine Tochter Helga überlebten Theresienstadt. Das Palmhof wurde Anfang der 1950er-Jahre restituiert, Otto Pollak lehnte es jedoch ab, das Kaffeehaus weiterzuführen. Heute befindet sich dort ein Supermarkt.
Die Dokumente und Objekte aus dem Nachlass von Otto Pollak lassen seine Persönlichkeit und das gesellschaftliche Umfeld wiederaufleben und erinnern an das kosmopolitische Wien der Zwischenkriegszeit.
„Wir bitten zum Tanz. Der Wiener Cafetier Otto Pollak“ ist noch bis 18. September 2020 im Jüdischen Museum Wien zu sehen. Zur Ausstellung, die von Theresa Eckstein und Janine Zettl kuratiertund von Itai Margula gestaltet wurde, erscheint ein Katalog zum Preis von 18,-€ im Eigenverlag. Das Jüdische Museum Wien, Dorotheergasse11, 1010 Wien, ist von Sonntag bis Freitag 10 bis 18 Uhr geöffnet. Der zweite Standort, Museum Judenplatz, Judenplatz 8, 1010 Wien, ist von Sonntag bis Donnerstag von 10 bis 18 Uhr, freitags 10 bis 14 Uhr (Winterzeit) bzw. 17 Uhr (Sommerzeit) geöffnet.
Weitere Informationen unter www.jmw.at