Christine Nöstlinger im Karikaturmuseum
Christine Nöstlinger ist im Karikaturmuseum Krems ab 14. November 2021 eine Ausstellung gewidmet.
„Im Kopf hatte ich die Geschichten längst fertig, und ‚the story behind the story‘ auch. Das wusste ich ja aus unzähligen Abenden, an denen kluge Männer vor mir über Literatur geredet hatten. Eine Geschichte … hatte zwei Ebenen zu haben. Meine zweite Ebene war die Utopie vom Land, in dem alle Menschen frei und gleich und daher glücklich sind.“
– Christine Nöstlinger, aus „Glück ist was für Augenblicke“, Residenz Verlag, 2013
Lange bevor sich der Begriff des Mobbings etabliert hatte, behandelte Christine Nöstlinger die Themen Ausgrenzung und Gewalt mit dem notwendigen Fingerspitzengefühl in ihrem Kinderbuch-Klassiker „Die feuerrote Friederike“. In ihrem Erstlingswerk, das 2020 seinen 50. Geburtstag feierte, wehrt sich das Mädchen mit den feuerroten Haaren und Sommer- sprossen auf den Wangen mit Zauberkräften gegen die Demütigungen ihrer Mitschüler*innen. Auf Anhieb ein großer Erfolg und 1972 mit dem Friedrich-Bödecker-Preis ausgezeichnet, läutete die österreichische Autorin mit ihrer „Feuerroten Friederike“ eine neue Bewegung innerhalb Österreichs Kinder- und Jugendliteratur ein. Bis heute ist das Buch ein Bestseller mit immer noch aktueller Thematik.
In der Ausstellung „Christine Nöstlinger und ihre Buchstabenfabrik“ präsentiert das Karikaturmuseum Krems die originalen und teils unveröffentlichten Buch-Illustrationen aus dem Urmanuskript, die zu Beginn von Christine Nöstlinger selbst gezeichnet wurden. Das Debüt als Ausgangspunkt nehmend, sind weitere Zeichnungen der Töchter Christiana Nöstlinger und Barbara Waldschütz zu sehen. Eine aktuelle Friederike zeigen die Arbeiten von Stefanie Reich. 2015 wurde die Leipzigerin mit den Illustrationen für eine Neuausgabe von Nöstlingers Buch beauftragt. Eigens für die Ausstellung haben sich Martina Peters, Stephanie Wunderlich und Nina Pagalies im Rahmen ihres Stipendienaufenthalts in Krems mit Nöstlingers Oeuvre künstlerisch auseinandergesetzt. Die ausgestellten Originale von Michael Roher, dem ersten Preisträger des Christine-Nöstlinger-Preis, und von Sophie Schmid, Illustratorin von Nöstlingers posthum erschienenen „Der Überzählige“, ergänzen die Schau. Verschiedene künstlerische Positionen geben einen facettenreichen Einblick in das Schaffen und Fortwirken der Schriftstellerin und Zeichnerin Christine Nöstlinger. In Vorbereitung auf die Ausstellung setzte sich die Mittelschule Krems im Rahmen des culture connected-Projekts “MUT GEWINNT!” ausführlich mit Zivilcourage in Schule und Alltag auseinander.
- Christine Nöstlinger und ihre Buchstabenfabrik
- 14.11.2021 – 06.03.2022
- Karikaturmuseum Krems
- Museumsplatz 3
- www.karikaturmuseum.at
Über Christine Nöstlinger
Christine Nöstlinger wurde am 13. Oktober 1936 in Wien geboren und lebte ebendort als freie Schriftstellerin. Ihre zahlreichen Kinder- und Jugendbücher wurden weltweit publiziert und in über 50 Sprachen übersetzt. Nöstlingers schriftstellerische Tätigkeit begann 1968 mit der „Feuerrote Friederike“, die sie als Geschichte zu ihren Illustrationen schrieb. Als das Debüt zwei Jahre später im Verlag Jugend & Volk erschien, hatte die Autorin bereits zwei neue Manuskripte fertiggestellt. Mehr als 150 Bücher, unzählige Beiträge für Fernsehen und Radio – etwa der berühmte „Dschi-Dsche-i Wischer Dschunior“ – sowie Kolumnen für diverse Zeitungen folgten. Angelehnt an die Vielzahl ihrer Publikationen bezeichnete sich Nöstlinger selbst oft als „Ein-Mann-Buchstabenfabrik“.
Zeichneten sich ihre frühen Geschichten durch phantastische Elemente aus, erdachte die Autorin in ihren späteren Werken Figuren, die ausschließlich im realen Leben reale Probleme haben. Vor allem die Klassiker „Konrad oder Das Kind aus der Konservenbüchse“, „Wir pfeifen auf den Gurkenkönig“, „Rosa Riedl Schutzgespenst“, die „Franz“-Reihe und ihr auto- biografischer Roman „Maikäfer flieg!“ machten Christine Nöstlinger weltweit bekannt.
Nöstlingers Werk wurde mehrfach verfilmt und international prämiert. Gemeinsam mit dem U.S.-Amerikaner Maurice Sendak erhielt sie 2003 den ersten Astrid-Lindgren-Gedächtnis- Preis, die weltweit höchstdotierte Auszeichnung für Kinder- und Jugendliteratur. Weiters wurde die Wienerin mit dem Hans-Christian-Andersen-Preis, dem Großen Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich und dem Bruno-Kreisky-Preis für ihr publizistisches Gesamtwerk ausgezeichnet.
Noch bis kurz vor ihrem Tod arbeitete die Autorin an Gedichten im Wiener Dialekt, die sich unter anderem mit dem Alter und dem Tod beschäftigen. Christine Nöstlinger starb am 28. Juni 2018 im Alter von 81 Jahren. Der Gedichtband „Ned das I ned gean do warat“ erschien, illustriert von Tochter Barbara Waldschütz, im April 2019 im Residenzverlag.
Die Töchter
1959 bringt Christine Nöstlinger Tochter Barbara und 1961 Tochter Christiana auf die Welt. Mit 13 Jahren bebildert Christiana Nöstlinger als Autodidaktin erstmals ein Buch ihrer Mutter, „Achtung! Vranek sieht ganz harmlos aus“ (1974). „Ich war 13 Jahre alt und noch in der Schule. Die Idee war, ein Buch für Kinder mit Kinderzeichnungen zu illustrieren, obwohl ich mit 13 kein richtiges Kind mehr war. Aber ich habe als Kind immer schon gern gezeichnet, und meiner Mutter gefielen die Zeichnungen offensichtlich. Sie hat mich dazu ermutigt und auch die Idee gehabt mit den Kinderzeichnungen.“ Die Zusammenarbeit zwischen Mutter und Tochter reichte von Erzählungen bis zu Romanen, so „Liebe Susi, lieber Paul!“, „Susis geheimes Tagebuch“, „Liebe Oma, Deine Susi“, „Willi und die Angst“ und die 16-bändige „Mini“-Serie. Heute ist Christiana Nöstlinger als Psychologin und Expertin für Gesundheitsförderung tätig und arbeitet am Institut für Tropenmedizin in Antwerpen, Belgien.
Tochter Barbara Waldschütz hatte 1990 ihr Debüt als Illustratorin. „Meine Mutter hat eine ganze Geschichte gereimt, ‚Klicketick‘. Sie hat mir den Text gegeben und gesagt, dass ich damit machen soll, was ich will. Sie war damals schon sehr bekannt und hätte sich auch einen berühmten Illustrator wünschen können. Sie fand aber, es sei eine Verschwendung meines Talentes, dass ich immer nur für mich zeichne.“ Für ihre Kinderbuch-Illustrationen, da- runter Bücher wie „Vom weißen Elefanten und den roten Luftballons“, „Madisou“, „Pudding- Pauli“ und „Ned dasi ned gean do warat“, wurde ihr die BIP-Plakette und mehrmals der Illustrationspreis der Stadt Wien verliehen. Illustrieren wurde aber nie zum Hauptberuf der studierten Mediengestalterin und Kommunikationsdesignerin. „Ich bin mir nicht sicher, ob man dann noch jedes Buchprojekt wie ein Kunstwerk gestalten kann. Man kann dann nicht mehr so viel Zeit mit Nachdenken und Ausprobieren verbringen und wahrscheinlich macht es dann weniger Spaß. Das fände ich schade.“