Castellucci inszeniert Mozarts „Requiem“
Romeo Castellucci inszeniert Mozarts „Requiem“. Die Wiener Festwochen finden 2022 zwar im gewohnten Zeitrahmen statt (13. Mai bis 18. Juni), doch startet Intendant Christophe Slagmuylder heuer mit einem Polog.
Der Prolog der diesjährigen Wiener Festwochen ist eine Ode an das Leben. Stammgast-Starregisseur Romeo Castellucci widmet sich dem letzten, unvollendet gebliebenen Werk von Wolfgang Amadeus Mozart. Seine Inszenierung des Requiem ist unbestritten ein Meisterwerk. Gemeinsam mit dem Dirigenten Raphaël Pichon und dem aus Orchester und Chor bestehenden Ensemble Pygmalion gelingt ein umfassender Rausch des Werdens und Vergehens. Kreistänze, Farb-, Material- und Bilderschlachten oszillieren zwischen Festen des Kommenden und feierlichen Verabschiedungen. Diese ästhetisch opulente, szenische Fassung der berühmten Totenmesse präsentiert den Chor als zentralen Protagonisten. So gilt der Abend nicht einem Individuum, sondern blättert im „Atlas des großen Sterbens“. Während sich die Auslöschung chronologisch über Dinosaurier und Neandertaler uns Heutigen annähert, hält ein überwältigendes Ensemble von Sänger:innen und Tänzer:innen mit Lebendigkeit dagegen. Die christliche Hoffnung auf Erlösung im Jenseits wird bei Castellucci zum notwendigen Neuanfang einer nächsten Generation.
- Requiem
- 1., 2., 4. April
- Halle E im MuseumsQuartier
- Infos und Tickets
Im Requiem nutzt Romeo Castellucci ein nicht-narratives Vokalstück zur Neudefinition des Begriffs „Musiktheater“. Seine außerordentliche Inszenierung der letzten Komposition Mozarts wird vom Aussterben, von Auslöschung heimgesucht. Aber in seinem Requiem kann das Vergehen einen neuen Anfang in sich bergen und die herausragende Darstellungskraft der Sänger:innen bringt unablässige (Neu-)Erfindung mit sich. Es beschreibt Auslöschungen und zeigt gleichzeitig eine energiegeladene und kraftspendende Abfolge von Neuanfängen. Das im Sommer 2019 in Aix-en-Provence entstandene Meisterwerk beschwört eine starke Vision der Zerstörung, aber auch des Wandels und der Erneuerung. Es handelt sich um eine außergewöhnliche Aufführung, die unsere Vorstellung davon, was mit Sänger:innen auf einer Bühne möglich ist, für immer verändern wird.
Romeo Castellucci
1960 in Cesena, Italien, geboren, ist Regisseur, Autor, Bühnenbildner, Kostümbildner und Lichtdesigner. Er wird weltweit für ein von ihm entwickeltes Theater gefeiert, das auf der Gesamtheit aller Künste beruht und eine holistische Wahrnehmung durch den Betrachtenden anstrebt. Sein Theater verschreibt sich einer Dramaturgie, die das Primat der Literatur aufhebt und so zu einer komplexen, plastischen Kunstform von außerordentlicher Bildmacht wird. Die von ihm 1981 gegründete Socìetas Raffaello Sanzio gilt aufgrund ihrer radikalen ästhetischen Positionierung international als eine der wichtigsten zeitgenössischen Kompanien. Seine Inszenierungen werden regelmäßig von Theatern, Opernhäusern und Festivals in mehr als 50 Ländern auf allen Kontinenten eingeladen. Castellucci ist Träger zahlreicher Preise und Auszeichnungen, unter anderem des Chevalier des Arts et Lettres und des Goldenen Löwen der Biennale von Venedig. Zuletzt inszenierte er Salome (2018) bei den Salzburger Festspielen, Die Zauberflöte (2018) am La Monnaie in Brüssel, Alessandro Scarlattis Il primo omicidio (2019) an der Pariser Opéra, A Paixão (Bachs Matthäus-Passion) in Lissabon und Mozarts Requiem (2019) beim Festival d’Aix-en-Provence (Koproduktion Wiener Festwochen). Die Kritikerumfrage der Zeitschrift Opernwelt kürte ihn 2019 zum Regisseur und Bühnenbildner des Jahres. Zahlreiche Produktionen waren bereits bei den Wiener Festwochen zu Gast: La Discesa di Inanna (1990), Amleto (1992), Giulio Cesare (1997), Il Combattimento di Tancredi e Clorinda (2000), Purgatorio (2009), Sul concetto di volto del Figlio di Dio (2013), Orfeo ed Euridice (2014), Go down, Moses (2015), Democracy in America (2017), La vita nuova und Le Metope del Partenone (2019).
Pygmalion
Pygmalion ist ein Originalklangorchester und Chor aus Frankreich. Gegründet 2006 von Raphaël Pichon, hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Verwandtschaft der Musik Bachs und Mendelsohns, Schütz‘ und Brahms‘ oder Rameaus, Glucks und Berlioz‘ zu erforschen. Neben den großen Repertoirewerken, zu denen das Ensemble neue Zugänge sucht, entstehen Programme, die die Querverbindungen zwischen Werken und deren Entstehungsgeschichten hervorzuheben suchen: Mozart & The Weber Sisters, Miranda mit Musik von Purcell, Stravaganza d’Amore! über die Geburt der Gattung Oper am Hof der Medici, der Zyklus Bach en sept paroles oder Libertà!, das die Entwicklung von Mozarts dramma giocoso nachzeichnet. Pygmalion arbeitet mit Regisseur*innen wie Romeo Castellucci, Katie Mitchell, Aurélien Bory, Simon McBurney, Jetske Mijnssen, Pierre Audi und Michel Fau zusammen. Das Ensemble ist an der Opéra national de Bordeaux beheimatet und tritt auf den wichtigsten Bühnen Frankreichs, sowie in Konzertsälen und auf Festivals in ganz Europa auf.
Raphaël Pichon
Raphaël Pichon ist ein französischer Dirigent und Leiter des Originalklangensembles Pygmalion. Er begann seine musikalische Ausbildung in Versailles und studierte am Conservatoire National Supérieur de Musique de Paris. Als junger Countertenor sang er bereits unter der Leitung von Jordi Savall, Gustav Leonhardt, Ton Koopman und Geoffroy Jourdain. 2006 gründete er das aus einem Chor und einem auf historisch-authentischen Instrumenten spielende Ensemble Pygmalion, das sich in seinen Programmen mit den Verbindungen zwischen Bach und Mendelssohn, Schütz und Brahms sowie Rameau, Gluck und Berlioz auseinandersetzt. Das Ensemble wurde insbesondere für die Interpretationen von Bachs Sakralmusik und der Tragédies lyriques von Rameau gefeiert. Pichon wird auch regelmäßig eingeladen, renommierte Ensembles zu dirigieren, darunter Holland Baroque, das Stavanger Symfoniorkester, Les Violons du Roy, das Scottish Chamber Orchestra, das Orchestre de Chambre de Lausanne und das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin, außerdem ist er regelmäßig am Opernhaus Zürich zu Gast. Zu seinen wichtigsten Projekten zählen Trauernacht (2014) in der Regie von Katie Mitchell und mit Musik von Johann Sebastian Bach, die Wiederentdeckung von Luigi Rossis L’Orfeo (2016), Monteverdis Vespro della Beata Vergine (2017) sowie die Purcell-Bearbeitung Miranda in der Regie von Katie Mitchell (2017). Für das Festival d’Aix-en-Provence erarbeitete er 2018 Die Zauberflöte in der Regie von Simon McBurney und 2019 Mozarts Requiem, seine erste Zusammenarbeit mit Romeo Castellucci. Zuletzt dirigierte er im Oktober 2021 eine Neuinszenierung von Fidelio an der Opéra-Comique in Paris.
- Requiem
- 1., 2., 4. April
- Halle E im MuseumsQuartier
- Infos und Tickets