Burnacini im Theatermuseum
Im Wien des 17. Jahrhunderts begeistert vor allem ein Künstler den Kaiserhof und die Theaterwelt: Lodovico Ottavio Burnacini (1636–1707). Die farbenprächtigen „Grotesken“ und Commedia dell’arte-Entwürfe gehören zu den interessantesten Zeichnungen dieses aus Italien stammenden Theateringenieurs. Sie bilden das Zentrum einer Ausstellung, die den Einfluss des europäischen Phänomens der Commedia dell’arte auf die Festkultur des kaiserlichen Hofes fokussiert. Die Schau bietet die Gelegenheit, das Werk eines überbordend kreativen wie produktiven Künstlers wieder zu entdecken und feiert den Siegeszug seiner Fantasie.
Als Theateringenieur steht Lodovico Ottavio Burnacini 55 Jahre im Dienste von drei Habsburger Kaisern. Für sie plant er neben Komödien- und Opernhäusern auch Denkmäler, wie die Pestsäule am Graben in Wien. Zu Aufführungen, Festen und Umzügen entwirft er tausende Kostüme, Bühnenbilder sowie -maschinen, die ihn bereits zu Lebzeiten zu einem gefeierten Künstler machen. Nachdem Kaiser Leopold I. 1674 ein von Burnacini ausgestattetes Zauberspiel im Theater der Jesuiten sieht, schreibt er enthusiastisch an seinen Freund, Ferdinand I. Bonaventura von Harrach: „[…] In summa ich habe nitt baldt was bössers gesehen“. Während Burnacinis bühnenbildnerisches Werk dank der Stiche in den Libretti der von ihm ausgestatteten Opern weltweite Verbreitung erfuhr, blieben die meisten Originale lange Zeit in der Sammlung des Theatermuseums verborgen. Seine 400 Handzeichnungen sind faszinierend detailreich ausgeführt und haben erstaunlicherweise bis heute nichts an ihrer Farbintensität eingebüßt. Sie legen ein eindrucksvolles Zeugnis von Burnacinis Genie ab.
Die Ausstellung präsentiert 125 kostbare Blätter, die sich der Groteske und Komödie widmen. In diesen Entwürfen vermischen sich fantasievoll Visionen der Hölle mit den bunten Farben der Straßen zur Faschingszeit. Burnacini lässt Männer als Frauen, Kinder als Erwachsene und Kleinwüchsige als Riesen auftreten; Gesichtszüge und Körperposen studiert er minutiös, um sie zu karikieren. Sein Augenmerk gilt dabei ganz und gar der Narrheit und einem Auf-den-Kopf-Stellen der Wirklichkeit. Bei Burnacinis Geschöpfen verschwimmen die Grenzen zwischen Menschlichem, Tierischem, Mechanischem und Humanem. Zur Steigerung der grotesken Effekte verfremdet er seine Figuren mit ausgefallenen Kostümen, aufgemalter Schminke und Masken, in deren überzeichneter Welt die Ironie der Komödie am stärksten zur Geltung kommt. Die Zeichnungen Burnacinis besitzen eine so moderne Anmutung, dass sie teilweise den Experimenten der Avantgarde mindestens 250 Jahre vorauszugehen scheinen.
Stichwort: Maske
Der Maske und ihren vielfältigen Funktionen in der Vergangenheit wie auch in einer möglichen Zukunft begegnen die Besucher und Besucherinnen in mehreren Stationen der Ausstellung. Beim Wort Maske denkt man in Zeiten der Pandemie vor allem an ihre Schutzfunktion. In der frühen Neuzeit kommt sie als „Abstandhalter“ zwischen den „Doktoren der Pest“ und ihren Patientinnen und Patienten zum Einsatz. Sie dient aber auch als symbolischer Schutz für wandernde Komödianten vor der Härte ihres Berufs, fern ihrer Heimat, und bewahrt das Publikum vor Langeweile. Masken stehen für Geselligkeit, Humor und Aufgeschlossenheit. Indem sie allerdings das Antlitz ihrer Trägerinnen und Träger verdecken und diese zusätzlich mithilfe von Kostümen in Grotesken verwandeln, schaffen sie auch eine gewisse Distanz. Der Auftritt maskierter Figuren begeistert und flößt zugleich Ehrfurcht ein. Burnacinis Zeichnungen zeigen, dass er diesen Effekt gut kannte: Er war in der Tat ein Meister der grotesken Komödie.
Und diese Farben!
Noch bevor die Bedeutung bzw. der Inhalt der Blätter wahrgenommen wird, zieht die leuchtende Farbenwelt von Burnacinis Werken Betrachterinnen und Betrachter in ihren Bann. Bereits 2006 wurden die Farben einiger seiner Handzeichnungen als Teil der sogenannten Maschere vom Naturwissenschaftlichen Labor des Kunsthistorischen Museums einer zerstörungsfreien Röntgenfluoreszensanalyse (RFA) unterzogen. Ein Abschnitt der Ausstellung macht die Besucherinnen und Besucher mit den wissenschaftlichen Aspekten der von Burnacini eingesetzten Farben, ihrer Zusammensetzung und ihrer Herkunft bekannt. Präsentiert werden auch historische Maleranweisungen, darunter eine von Claude Boutet (1702), die digital durchgeblättert werden können. Interessierte erfahren so mehr über Farben und Techniken zu Burnacinis Zeiten.
Bewegte Masken
In Kooperation mit dem Atelier Porto Arlecchino aus Pordenone und der Schauspielgruppe Bottega Buffa CircoVacanti aus Trient hat das Theatermuseum zwei Filme produziert, die Burnacinis Komödienfiguren zum Leben erwecken. Schauspielerinnen, gekleidet in beeindruckende Kostümrekonstruktionen der wichtigsten Commedia-dell‘arte Figuren, die gleichzeitig vor Ort ausgestellt sind, formieren darin lebendige „Kompositionen“. Die unterhaltsamen Szenen präsentieren die typischen Bewegungen und Charaktere der Masken und erschließen so den Sinn von Burnacinis Erfindungen.
Burnacini im Theatermuseum
Bis 3. Mai 2021
1., Lobkowitzplatz 2
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